Ein wegweisendes Urteil im Datenschutzrecht: Das Bundesverwaltungsgericht hat am 6. Oktober 2025 die Beschwerde des Vereins Bürgerforum Schweiz gegen ein Bearbeitungsverbot des Eidgenössischen Datenschutz‑ und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) klar abgewiesen. Damit bestätigt das Gericht die strikte Auslegung des Verhältnismässigkeitsprinzips im schweizerischen Datenschutzrecht – mit weitreichenden Folgen für Organisationen, die personenbezogene Daten im Internet publizieren. Dieser Insight analysiert das Urteil und seine praktischen Auswirkungen für Organisationen, Kampagnen und Datenschutzverantwortliche.
Hintergrund und Ausgangslage
Im Zentrum des Verfahrens stand die Online‑Kampagne „Pfarrer‑Check“ des Vereins Bürgerforum Schweiz. Der Verein erstellte eine öffentlich einsehbare Datenbank mit Kontaktdaten und Informationen zu Pfarrpersonen sowie weiteren kirchlichen Akteuren. In dieser Datenbank wurde vermerkt, ob betroffene Personen einen zugesandten Fragebogen beantwortet hatten oder nicht – inklusive Status‑Angaben wie „erfasst“, „angefragt“ oder „beantwortet“. Zusätzlich wurden die eingegangenen Antworten teilweise öffentlich veröffentlicht.
Mehrere Personen meldeten dem EDÖB ihre Bedenken über diese Datenverarbeitung. Der EDÖB kam im Rahmen seiner Untersuchung zum Schluss, dass die Veröffentlichung dieser Daten nicht verhältnismässig sei. Weder eigneten sich die erhobenen Informationen, um verlässliche Aussagen über die religiösen Überzeugungen der betroffenen Personen zu treffen, noch seien sie notwendig, um die Repräsentativität der Kampagne zu belegen.
Am 9. April 2024 erliess der EDÖB daher eine Verfügung mit folgendem Kerninhalt:
- Der Verein durfte personenbezogene Daten von Personen mit dem Status «erfasst» oder «angefragt» nicht weiterverarbeiten oder veröffentlichen, sofern keine rechtsgültige Einwilligung vorlag.
- Bereits veröffentlichte Daten waren innert Frist zu löschen.
- Bei Missachtung drohten nicht nur Zwangsmassnahmen, sondern auch administrative Bussen.
Der Verein erhob dagegen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer). Dieses lehnte die Beschwerde in seinem Urteil vom 6. Oktober 2025 ab.
Juristische Grundlagen
Das schweizerische Datenschutzgesetz (DSG) verlangt im Umgang mit personenbezogenen Daten eine Lösung, die geeignet, erforderlich und verhältnismässig ist. Das bedeutet:
- Geeignetheit: Die Datenbearbeitung muss dazu beitragen, den verfolgten Zweck zu erreichen.
- Erforderlichkeit: Es darf kein milderes, gleich wirksames Mittel geben.
- Verhältnismässigkeit: Die Interessen der betroffenen Personen müssen gegen das Interesse des Verantwortlichen abgewogen werden.
Im Urteil bestätigte das BVGer die Interpretation des EDÖB, wonach die Erhebung und Veröffentlichung der Status‑Informationen und Antworten nicht geeignet war, eine verlässliche Aussage über Glaubenshaltungen zu ermöglichen. Ebenso wenig konnten diese Daten zur Untermauerung der Umfrage‑Repräsentativität dienen. Deshalb verletzte die Datenbearbeitung den Verhältnismässigkeitsgrundsatz gemäss DSG.
Analyse: Kernpunkte des Urteils
- Keine ausreichende Rechtsgrundlage für Datenveröffentlichung
Das Gericht stellte klar, dass allein aus dem öffentlichen Interesse an einem Diskurs über Glaubensfragen keine automatische Rechtfertigung für die Erhebung oder Veröffentlichung personenbezogener Daten folgt. Selbst wenn der Verein auf «Meinungs‑ und Informationsfreiheit» abgestellt hat, ersetzt dies nicht eine gesetzliche Grundlage oder eine wirksame Einwilligung der Betroffenen.
- Verhältnismässigkeitsabwägung
Das Gericht bestätigte, dass der EDÖB in der Abwägung korrekt vorgegangen ist: Die Interessen der betroffenen Personen am Schutz ihrer Persönlichkeit und Privatsphäre überwiegen deutlich gegenüber dem Nutzen einer öffentlich einsehbaren Datenbank, die auf implizite oder fehlende Einwilligungen gestützt ist.
- Rechtsfolge: Abweisung der Beschwerde
Mit der Abweisung der Beschwerde am 6. Oktober 2025 bestätigte die richterliche Instanz, dass der EDÖB seinen Ermessensspielraum im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben korrekt ausgeübt hat. Damit ist die Verfügung des EDÖB rechtskräftig.
Praktische Auswirkungen und Empfehlungen
Für Kampagnenbetreiber und NGOs
Organisationen, die Online‑Datenbanken mit personenbezogenen Daten publizieren, müssen sicherstellen:
- Rechtsgültige Einwilligungen für jede beabsichtigte Datenbearbeitung liegen vor.
- Transparenz gegenüber Betroffenen über Zweck, Umfang und Dauer der Verarbeitung gewährleistet ist.
- Abwägung von Interessen sorgfältig dokumentiert wird, insbesondere wenn Daten öffentlich zugänglich gemacht werden sollen.
Für Datenschutzverantwortliche in Unternehmen
Dieses Urteil dient als präzedenz‑bildender Hinweis, dass selbst bei vermeintlich legitimem Informationsinteresse eine strikte Anwendung des DSG verlangt wird. Datenschutzverantwortliche sollten vorhandene Verarbeitungstätigkeiten systematisch auf Verhältnismässigkeit und Rechtsgrundlage überprüfen.
Konsequenzen für Behörden und Betroffene
Betroffene Personen haben mit dem Urteil Bestätigung, dass ihre Persönlichkeitsrechte im digitalen Raum geschützt sind – insbesondere wenn sie nicht ausdrücklich in die Datenverarbeitung eingewilligt haben. Für Behörden bedeutet das Urteil eine Bestätigung des EDÖB‑Handelns und eine Stärkung der datenschutzrechtlichen Praxis.
Fazit und Ausblick
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Oktober 2025 stellt klar, dass der Schutz personenbezogener Daten auch dann nicht hinter Interessen an öffentlicher Meinungsbildung zurücktreten darf, wenn letztere politisch motiviert oder gesellschaftlich relevant erscheint. Insbesondere Online‑Datenbanken mit personenbezogenen Informationen bedürfen einer sorgfältigen Rechtsgrundlage und müssen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz einhalten.
In Zukunft dürfte dieses Urteil als Referenzfall dienen – etwa für politische Kampagnen, Verbände oder Medienprojekte, die personenbezogene Daten öffentlich zugänglich machen wollen. Es betont die Bedeutung datenschutzkonformer Planung bereits im Vorfeld digitaler Projekte.
- Quellen
- EDÖB – Bundesverwaltungsgericht bestätigt Praxis des EDÖB (EDÖB‑Mitteilung vom 20.10.2025)
- Urteil BVGer A‑2941/2024 vom 6. Oktober 2025
Hinweis: Mit KI überarbeitet