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Schneller Start, schlanke Prozesse und kaum Lagerkosten: Dropshipping klingt für viele Händler wie das perfekte Geschäftsmodell. Auch in der Schweiz entdecken immer mehr Unternehmen diesen Ansatz für sich. Doch hinter dem scheinbar einfachen Prinzip steckt eine komplexe rechtliche Gemengelage. Wer trägt die Verantwortung, wenn Produkte mangelhaft sind? Wie läuft das Inverkehrbringen rechtlich sauber ab? Und welche Pflichten treffen Händler trotz ausgelagerter Logistik? Dieser Beitrag wirft einen Blick auf die wesentlichen Risiken – und zeigt, wie Unternehmen beim Dropshipping rechtlich auf der sicheren Seite bleiben.

Dropshipping ist ein etabliertes Geschäftsmodell im E-Commerce, das es ermöglicht, Produkte direkt vom Lieferanten an den Kunden zu versenden, ohne dass der Händler die Ware physisch lagert oder versendet. Gerade für kleinere Onlinehändler in der Schweiz erscheint dieses Modell verlockend einfach. Doch hinter dieser Effizienz verbergen sich erhebliche rechtliche Verpflichtungen und Haftungsrisiken, wie beispielsweise die Verantwortung von Droppshipern trotz des fehlenden Warenbesitzes.
Obwohl Onlineshops für Durchschnittskonsumenten oft den Anschein erwecken, ihre Produkte aus der Schweiz zu vertreiben, ist dies oft nicht der Fall. Durch das Dropshipping-Businessmodell wird gewährleistet, dass Konsumenten die Ware bestellen und diese direkt durch den Lieferanten an den Konsumenten gelangen. Der Betreiber des Onlineshops leitet die Bestellung nur weiter.

 

Produkthaftung und Inverkehrbringen

Zunächst stellt sich die zentrale Frage, in welchem Umfang Dropshipper für die von ihnen angebotenen Produkte haften. Besonders im Bereich von Elektronikwaren, bei denen strenge Sicherheits- und Qualitätsanforderungen gelten, ist die rechtliche Verantwortung von Onlinehändlern regelmässig Gegenstand regulatorischer und gerichtlicher Prüfungen. Gerade hier zeigt sich, dass Händler auch ohne physischen Kontakt zur Ware für deren Konformität mit geltendem Recht einstehen müssen – mit weitreichenden Folgen für die Produkthaftung und den Konsumentenschutz.

Art. 2 Abs. 1 lit. c PrHG statuiert, dass als «Hersteller» jede Person gilt, die ein Produkt zum Zweck des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder einer andern Form des Vertriebs im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit einführt. Auch wenn Dropshipper keine physischen Kontakte zur Ware haben, gelten sie somit als «Wirtschaftsakteure» und Hersteller nach Art. 2 Abs. 1 lit. c PrHG. Sie sind somit verpflichtet, sicherzustellen, dass die angebotenen Produkte den geltenden Sicherheitsstandards entsprechen. Hintergrund dessen ist, dass das Bereitstellen eines Produkts – auch im Wege des Dropshipping – eine rechtlich relevante Handlung ist, selbst wenn der Händler das Produkt nie physisch besessen hat. Massgeblich ist, dass der Händler als Anbieter gegenüber dem Endkunden auftritt und das Produkt über seinen Shop vertreibt. Eine physische Besitznahme durch den Händler ist für die rechtliche Qualifikation als Inverkehrbringer nicht erforderlich.
Das Bundesverwaltungsgericht verdeutlichte beispielsweise in BGer A-4413/2021 vom 20. September 2023, dass das Dropshipping keine rechtliche Grauzone ist, sondern klare Anforderungen an Produktsicherheit unterworfen ist. Dropshipper sind gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b der Verordnung über elektrische Niederspannungserzeugnisse (NEV) Inverkehrbringer von Waren, wie elektrischen Erzeugnissen und haften somit für fehlerbehaftete Produkte.
Es ist folglich pro Produktekategorie zu prüfen, ob Spezialgesetzliche Normen zur Anwendnung kommen.

 

Lauterkeitsrechtliche Fallstricke

Ein zusätzlicher, oft unterschätzter Aspekt im Zusammenhang mit fairem Geschäftsverhalten betrifft das Lauterkeitsrecht.
Ein Verstoss gegen Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG, dem Irreführungstatbestand, liegt insbesondere dann vor, wenn bei Konsumenten der Eindruck erweckt wird, sie hätten es mit einem Schweizer Anbieter zu tun, obwohl die Ware tatsächlich aus dem Ausland stammt. Die Verwendung von Schweiz-bezogenen Symbolen oder deutschsprachigen Angeboten kann in Verbindung mit dem Verschweigen der tatsächlichen Herkunft als Irreführung gewertet werden – insbesondere, wenn gleichzeitig Qualitätsversprechen gemacht werden, die auf schweizerische Standards anspielen.
Eng verbunden mit der Herkunft der Ware ist auch die oft anzutreffende Verzögerung von Lieferzeiten. Das Versprechen unrealistischer Lieferzeiten und die Nichteinhaltung derselben stellt nämlich auch eine Irreführung des Konsumenten über wesentliche Eigenschaften dar und ist ein Verstoss von Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG.
Onlineshops, die Elektronik anbieten, haben zudem gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. s Ziff. 1 UWG sicherzustellen, dass sie vollständige Kontaktangaben zur Verfügung stellen, vor allem betreffend Kontaktformulare in Verbindung mit Rückfragen und Reklamationen. Aus diesem Grund ist ein Impressum mit allen notwendigen Kontaktangaben von höchster Bedeutung, sonst folgt ein Verstoss gegen das UWG.

Neben dem UWG müssen Dropshipping-Händler auch die Vorschriften der Preisbekanntgabeverordnung (PBV) beachten. Diese verpflichtet Anbieter, Endverbrauchern gegenüber die Preise vollständig, klar und wahrheitsgetreu auszuweisen. Nach Art. 3 PBV muss der Endpreis inklusive aller obligatorischen Abgaben und Gebühren angegeben werden. Werden zusätzliche Kosten erst im Verlauf der Bestellung oder gar erst bei der Zustellung sichtbar, verstösst dies gegen die Transparenzpflichten der PBV und kann Konsequenzen führen. Besonders kritisch ist dies bei der Einfuhr aus Drittstaaten, wo häufig versteckte Nebenkosten anfallen. Für Dropshipping-Shops bedeutet dies, dass sie ihre Preisangaben sorgfältig und vollständig gestalten müssen, um nicht in Konflikt mit den Vorschriften zur Preiswahrheit und Preistransparenz zu geraten.

 

Datenschutzrechtliche Risiken

Ein oft vernachlässigter, jedoch zentraler Aspekt im Dropshipping ist der Datenschutz. Onlinehändler, die über Drittanbieter und Plattformen verkaufen, verarbeiten eine Vielzahl personenbezogener Daten – etwa Namen, Adressen, Zahlungsinformationen und Bestellhistorien.
Dropshipping-Händler sind in datenschutzrechtlicher Hinsicht deshalb regelmässig als Verantwortliche zu qualifizieren. Sie bestimmen die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten (Art. 5 lit. j DSG). Drittanbieter, wie Lieferanten, gelten häufig als Auftragsbearbeiter, mit denen ein entsprechender Vertrag nach Art. 9 DSG abgeschlossen werden muss. Der Verantwortliche hat sich zu vergewissern, dass der Auftragsbearbeitet Daten nur bearbeitet, wie er selbst tun würde und nur gemäss Weisungen des Verantwortlichen bearbeitet.
Ein besonderes Risiko im Dropshipping liegt in der grenzüberschreitenden Datenübermittlung. In vielen Fällen werden Kundendaten direkt an Lieferanten in Drittstaaten weitergegeben, um die Bestellabwicklung zu ermöglichen. Nach Art. 16 DSG ist eine solche Datenübermittlung nur zulässig, wenn das Zielland einen angemessenen Datenschutzstandard gewährleistet oder andere geeignete Garantien (z.B. Standardvertragsklauseln) bestehen.
Nach Art. 19 ff. DSG trifft den Händler eine umfassende Informationspflicht. Kundinnen und Kunden müssen klar und verständlich darüber informiert werden, welche Daten zu welchen Zwecken verarbeitet, an wen sie weitergegeben und wie lange sie gespeichert werden. Diese Informationen sollten bereits beim ersten Kontakt (z.B. im Online-Shop) leicht zugänglich sein.
Wenn im Rahmen des Dropshipping-Prozesses automatisierte Entscheidungen getroffen werden (z.B. Bonitätsprüfungen, automatisierte Bestellverarbeitung oder die Einbettung einer KI in die Website), kann dies unter Art. 21 DSG fallen. In solchen Fällen müssen Betroffene ausdrücklich auf diese automatisierten Verfahren hingewiesen werden und ein Widerspruchsrecht erhalten.

 

Mehrwertsteuerrechtliche Aspekte beim Dropshipping

Ein weiterer zentraler Punkt beim Dropshipping ist die korrekte Abwicklung der Mehrwertsteuer (MWST). Die Besteuerung im internationalen Handel ist komplex und hängt davon ab, wo sich die Lieferorte, der Unternehmenssitz und die Kundschaft befinden. Besonders relevant für das Dropshipping-Businessmodell ist die am 1. Januar 2025 in Kraft getretene Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG).
Dropshipping-Anbieter mit Sitz oder Wirkung in der Schweiz unterliegen grundsätzlich der Mehrwertsteuerpflicht, sobald sie weltweit einen Jahresumsatz von mindestens CHF 100’000 erzielen (Art. 10 MWSTG). Dabei ist es unerheblich, ob die physische Warenbewegung durch sie selbst oder durch Dritte erfolgt. Entscheidend ist, ob sie als Leistungserbringer gegenüber den Kundinnen und Kunden auftreten.
Seit der Abschaffung der Kleinbetragsregelung im Jahr 2019 sind Versandhandelsunternehmen, die mit Kleinsendungen (Einfuhrsteuerbetrag unter CHF 5) in der Schweiz mindestens CHF 100’000 Umsatz erzielen, mehrwertsteuerpflichtig. Allerdings zeigte sich, dass viele kleinere Anbieter diese Umsatzgrenze nicht erreichen. Um Umgehungstatbestände zu verhindern und Steuergerechtigkeit zu fördern, wurde per 1. Januar 2025 eine neue Regelung eingeführt: Nach Art. 20a MWSTG werden Unternehmen, die den Verkauf von Gegenständen über eine elektronische Plattform ermöglichen, künftig in die Mehrwertsteuerpflicht einbezogen. Betreiber solcher Plattformen gelten fortan als Leistungserbringer gegenüber den Käufern – unabhängig davon, ob sie in der Schweiz ansässig sind oder nicht. Dies betrifft ausschliesslich Plattformen, über die Gegenstände verkauft werden. Andere Plattformen (z.B. für Dienstleistungen oder Vermietung) bleiben zwar von der direkten Steuerpflicht ausgenommen, unterliegen jedoch einer neuen Auskunftspflicht über erzielte Inlandumsätze.
Ein wesentlicher Fallstrick besteht in der unklaren Abgrenzung zwischen Vermittlung und Eigenlieferung. Wird der Dropshipper von den Steuerbehörden als Importeur angesehen, ohne sich bei der ESTV registriert zu haben, drohen erhebliche Nachforderungen sowie Bussen. Auch eine fehlerhafte oder fehlende Deklaration bei der Einfuhr kann steuerstrafrechtlich relevant sein.

 

Fazit

Dropshipping bietet für kleinere E-Commerce-Anbieter in der Schweiz grosse Chancen, ist jedoch mit komplexen rechtlichen Anforderungen verbunden. Dropshipper tragen Verantwortung für Produktsicherheit, dürfen Konsumenten nicht irreführen und müssen Datenschutz sowie steuerliche Vorgaben sorgfältig einhalten. Eine fundierte rechtliche Prüfung und transparente Kommunikation sind essenziell für einen rechtskonformen Onlinehandel.

 

  1. Quellen