Hintergrund der ESG-Reform
Das erste „Omnibus Simplification-Paket“ ist eine Initiative zur Vereinfachung und Vereinheitlichung bestehender ESG-Berichtspflichten. Ziel der Europäischen Kommission ist es, Unternehmen administrativ zu entlasten, ohne die Transparenz oder Nachhaltigkeitsziele zu beeinträchtigen. Angesichts wachsender regulatorischer Anforderungen, insbesondere in der EU, soll das Paket Klarheit und Effizienz für betroffene Unternehmen schaffen. Das Paket wird besonders die Berichtserstattungspflichten auf der Grundlage der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), dem EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) und der EU-Taxonomie-Verordnung betreffen.
Eine Omnibus-Verordnung bezeichnet in der EU-Gesetzgebung den Vorgang der Anpassung mehrerer Verordnungen und Richtlinien in einem einzigen Rechtsakt.
Kernpunkte der Neuerung
Um einen Einblick in die beabsichtigten Neuerungen zu erhalten, werden im Folgenden einige wichtige umschrieben. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) soll durch die Neuerung nur für Unternehmen ab 1000 Vollzeitstellen, nicht wie bisher 250, gelten. Auch soll eine freiwillige Berichterstattung für Unternehmen eingeführt werden, die nicht mehr in den Geltungsbereich der Verordnung fallen. Damit verbunden sieht beispielsweise die Neuerung der Taxonomie-Verordnung vor, dass Unternehmen, die gemäss der Neuerung der CSRD in deren Geltungsbereich fallen, sprich 1000 Vollzeitstellen beschäftigen, freiwillig einen Taxonomie Bericht erstellen können, falls die finanziellen Schwellenwerte erfüllt sind. Die Industriespezifischen Berichterstattungen, die die CSRD vorsah, werden dank der Neuerung nicht mehr umgesetzt.
Im Allgemeinen wird die Reduzierung der Berichterstattungspflichten dazu führen, dass Unternehmen künftig weniger Detailinformationen in ESG-Berichten liefern müssen und bestimmte doppelte Meldepflichten entfallen.
Darüber hinaus soll im Zuge der Bereitstellung der Vergleichbarkeit eine einheitliche Struktur für ESG-Berichte ausgearbeitet werden und digitale Berichtsformate sowie automatisierte ESG-Berichterstattungstools sollen weiter gefördert werden. Dies wird gekoppelt mit der Implementierung von ESG-Datenmanagementsystemen und Blockchain-Technologien, die eine sichere und nachvollziehbare ESG-Datenverwaltung ermöglichen sollen. Die Harmonisierung mit internationalen Standards soll durch eine bessere Abstimmung mit globalen ESG-Vorgaben und einheitlichen Definitionen erreicht werden, sodass Inkonsistenzen zukünftig verhindert werden können.
Zusätzlich soll die Integration von Klimaberichtspflichten mit bestehenden EU-Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung beitragen.
Von der Vereinfachung der ESG-Berichtspflichten profitieren vor allem grosse Unternehmen mit komplexen Compliance-Strukturen. Gleichzeitig müssen KMU weiterhin beachten, dass regulatorische Anforderungen bestehen bleiben und langfristige ESG-Strategien erforderlich sind. Die Standardisierung soll den Vergleich zwischen Unternehmen erleichtern und verringert gleichzeitig Interpretationsspielräume.
Kritik an den Neuerungen
Trotz der angekündigten Vereinfachung der Berichterstattung durch die Ausarbeitung diverser digitaler Dienste bleiben einige Unklarheiten zur praktischen Umsetzung der Neuerungen bestehen. Die Förderung der digitalen Berichterstattung wird bei einer Vielzahl von Unternehmen zudem zusätzliche Ressourcen erfordern und Implementierungskosten hervorrufen.
Die vorgesehene Reduzierung von Berichterstattungspflichten wird ebenso bewirken, dass bedeutende Nachhaltigkeitsaspekte nicht mehr berücksichtigt werden, insofern sie unter die freiwillige Berichterstattung fallen. Eine Vielzahl von Unternehmen werden diese „Schlupflöcher“ zu ihrem Gunsten verwenden und sich vom eigentlichen Gedanken der Nachhaltigkeitsberichterstattung bewusst und unbewusst entfernen.
Was trifft auf die Schweiz zu?
Das erste „Omnibus Simplification-Paket“ wird sich auf Unternehmen in der Schweiz auswirken, auch wenn die Schweiz nicht in den Geltungsbereich des Gesetzgebungspakets fällt.
Der schweizerische Gesetzgeber hat durch die Einführung des Art. 964a ff. OR seine eigenen „ESG-Berichterstattungspflichten“ formuliert, dies jedoch nur für Unternehmen, die gewisse Schwellenwerte übersteigen.
Die Schweiz hat schon im Jahr 2024 beabsichtigt, die genannten Bestimmungen des Obliationenrechts (OR) an die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU anzupassen. Von der nichtfinanziellen Berichterstattung gemäss OR betroffen waren vorerst nur Unternehmen mit mindestens 500 Vollzeitstellen. Sodann gab der Bundesrat in seinem Vorentwurf bekannt, dass mit den Anpassungen an die EGS-Vorgaben der EU durch Art. 964c VE OR neu auch Unternehmen mit „nur“ 250 Vollzeitstellen diese Pflicht treffen wird, falls diese gleichzeitig die vorgegebenen finanziellen Schwellenwerte erfüllen. Angesichts des ersten „Omnibus Simplification Pakets“, welches ebenso zu Erleichterungen in der CSRD-Berichterstattung führen würde, wird dies auch Auswirkungen auf die Bestimmungen in der Schweiz nach sich ziehen.
Im Fall einer Anpassung der schweizerischen Rechtsgrundlagen gemäss des Vorentwurfs vom Juni 2024 werden Schweizer Unternehmen, die auf den europäischen Markt ausgerichtet sind, mit Wettbewerbsnachteilen konfrontiert, da die EU ihre verschärften Berichterstattungspflichten nun wieder aufhebt.
Mit seinen Bestrebungen, sich an den internationalen Trends im Bereich der ESG anpassen zu wollen, agiert der schweizerische Gesetzgeber proaktiv, doch vernachlässigt er dabei die wirtschaftlichen Bedürfnisse der betroffenen Unternehmen. Die rapide Drosselung der Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Gesetzgebung der EU zeugt von der Entwicklung in eine andere Richtung als die, die der schweizerische Gesetzgeber mit seinem Vorentwurf zu den Art. 964a ff. OR anstrebt.
Die Umsetzung der nichtfinanziellen Berichterstattung durch Unternehmen mit deutlich weniger Ressourcen würde einen Mehraufwand und eine Ressourcenallokation verursachen, der dem Gedanken der Nachhaltigkeitsberichterstattung entgegenwirken würde.
Themengebiete der nachhaltigen Unternehmensführung und der Corporate Social Responsibility (CSR) sollten stets berücksichtigt werden, doch nicht ohne internationale Entwicklungen zu übersehen.
Quellen