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Am 29. August 2018 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Änderung des Zivilgesetzbuches (Erbrecht) zuhanden des Parlaments. Mit der Vorlage zielte der Bundesrat auf die Modernisierung des Erbrechts ab, indem es einige grundlegende Änderungen vorsieht. Doch was hat sich bisher getan?

Das revidierte Erbrecht soll dem Erblasser eine höhere Verfügungsfreiheit ermöglichen. Die Motivation dahinter ist vor allem in den stark veränderten Lebensrealitäten und Familienformen zu finden. Nachfolgend werden einige Änderungen und deren Stand aufgezeigt:

Kürzung der Pflichtteile der Nachkommen und Streichung der Pflichtteile der Eltern

Nach dem noch geltenden Recht beträgt der Pflichtteil der Kinder des Erblassers ¾ des gesetzlichen Erbanspruchs. Die neue Bestimmung sieht eine Reduzierung des Pflichtteils auf ½ des gesetzlichen Erbanspruchs vor.

Gleichzeitig möchte man den Pflichtteil der Eltern streichen.

Einzig der Pflichtteil des Ehepartners/der Ehepartnerin oder des eingetragenen Partners/der eingetragenen Partnerin bleibt nach wie vor bei einem ½ des gesetzlichen Erbanspruchs.

In Bezug auf die Regelung der neuen Pflichtteile konnte sich das Parlament am 22. September 2020 vollumfänglich einigen. Deshalb bestehen hier keine Differenzen zwischen den beiden Räten.

Die Revision ermöglicht dem Erblasser dadurch freier über sein Vermögen zu verfügen. Beispielsweise könnte der Erblasser dadurch den faktischen Lebenspartner oder die faktische Lebenspartnerin und deren Kinder stärker begünstigen. Der Grund dafür ist, dass durch die Reduzierung der Pflichtteile sein frei verfügbarer Teil höher wird. Ausserdem soll dies die Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen erleichtern, was dazu führt, dass Unternehmen stabiler bleiben und Arbeitsplätze erhalten bleiben können.

 

Entfallen des Pflichtteilsanspruchs bei Tod während Scheidungsverfahren

Die Revision verlangt, dass im Fall des Todes eines Ehegattens während des Scheidungsverfahrens bzw. während des Verfahrens auf Auflösung der eingetragenen Partnerschaft dem überlebenden Partner/der überlebenden Partnerin kein Anspruch mehr auf den Pflichtteil gewährleistet wird. Dahinter liegt hauptsächlich der Gedanke, dem Auflösungswillen beider Parteien Rechnung zu tragen.

Beide Kammern sind sich auch vorliegend darüber einig, dass der überlebende noch-Ehegatte/die überlebende Ehegattin oder der noch-eingetragene Lebenspartner/die eingetragene Lebenspartnerin keinen Pflichtteilsanspruch mehr geltend machen können soll, sofern der Erblasser/die Erblasserin während des Scheidungsverfahrens verstirbt. Falls ein Scheidungsverfahren eines Erblassers noch hängig ist, wird er erbrechtlich so angesehen, wie wenn er nicht verheiratet gewesen wäre.

 

Unterstützungsanspruch der Lebenspartner

Der Bundesrat schlägt in seiner Botschaft vor, faktischen Lebenspartnern und Lebenspartnerinnen des Erblassers einen Unterstützungsanspruch zu gewähren, für den Fall, dass sie nach dem Tod des Erblassers in eine finanzielle Notlage gelangen. Das Ziel ist, zumindest das Existenzminimum des Partners/der Partnerin zu sichern und den Bezug von Sozialhilfeleistungen zu verhindern. Eine Anspruchsgrundlage kann beispielsweise dann begründet werden, wenn der Partner oder die Partnerin während des Zusammenlebens aufgrund von Haushalt, Kinderbetreuung oder Pflege eines Familienmitglieds nicht erwerbstätig war und ihm/ihr nach dem Tod des Erblassers kein Vermögen hinterlassen wird.

Im Ständerat wurden gegenteilige Meinungen vertreten. Teilweise war man der Ansicht, dass die Rente unnötig sei oder durch die Revision des Erbrechts ohnehin die Freiheiten des Erblassers ausgeweitet werden. Auch wurde von einer „Bevormundung des Erblassers“ gesprochen. Andere Stimmen meinten, die Rente könne schlimmsten Falls gar gegen den Willen des Erblassers ausgerichtet werden oder dem Unterstützungsanspruch der Nachkommen vorausgehen. Auch der Nationalrat sprach sich gegen diesen Vorschlag aus und zwar aus dem Grund, dass die Umsetzung der Regelung zu komplex wäre. Ausserdem wäre es ein Widerspruch, wenn man mit der Verkürzung des Pflichtteils der Nachkommen, den Erblasser faktisch zur finanziellen Unterstützung der Lebenspartner verpflichtet. Der Vorschlag wurde somit vom Parlament abgelehnt.

 

Herabsetzung der Vorschlagszuweisung bei Pflichtteilverletzung

Gemäss Art. 216 Abs. 1 ZGB können die Ehegatten sich gegenseitig den Vorschlag zuweisen, d.h. die Beteiligung des jeweils anderen an der Errungenschaft der Ehegatten. Gegenüber gemeinsamen Kinder konnte damit deren Pflichtteil verletzt werden, was für nichtgemeinsame Kinder gemäss Art. 216 Abs. 2 ZGB aber ausgeschlossen ist.

Der Bundesrat schlägt nun jedoch vor, dass die gemeinsamen Kinder eine Herabsetzung dieser Zuweisung verlangen können, wenn der überlebende Ehegatte sich wiederverheiratet. Der Ständerat schliesst sich der Meinung des Bundesrates an. Hingegen verlangt die Mehrheit des Nationalrats die Streichung des Art. 216 ZGB. Dementsprechend bestehen in Bezug auf diesen Vorschlag noch Uneinigkeiten im Parlament, welche zu bereinigen gelten.

 

Weitere Änderung im Erbrecht

Schließlich sollen bisherige Unklarheiten bezüglich der Berechnung der Erbmasse endlich durch die Revision beseitigt werden: Die gebundene Selbstvorsorge (Säule 3a) ist nicht Teil der Erbmasse, jedoch unterliegt diese im Fall einer Verletzung von Pflichtteilen der Herabsetzung. Dasselbe gilt für Vereinbarungen in einem Ehe- oder Vermögensvertrag, das güterrechtlich gemeinsame Vermögen vollständig dem überlebenden Ehegatten zukommen zu lassen.

Die Gesamtabstimmung des Nationalrats ergab eine Zustimmung der Vorlage mit 140 Ja- zu 48 Nein-Stimmen sowie einer Enthaltung. Die Vorlage geht nun an den Ständerat zurück. Dieser versucht die bestehenden Differenzen voraussichtlich in der Wintersession zu bereinigen.

 

Quellen

https://www.parlament.ch/centers/eparl/curia/2018/20180069/N2%20D.pdf

https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20180069

https://www.srf.ch/news/schweiz/debatte-im-nationalrat-erbrecht-pflichtteil-fuer-eltern-wird-gestrichen