Die Europäische Union verfolgt eine ambitionierte Digitalstrategie, die auch auf die Schweiz erhebliche Auswirkungen hat. Die jüngste Analyse der Interdepartementalen Koordinationsgruppe EU-Digitalpolitik (IK-EUDP) zeigt: Während derzeit keine unmittelbaren Risiken für den Binnenmarktzugang bestehen, könnten neue Regelungen zu künstlicher Intelligenz, Cybersicherheit und Datenmanagement Schweizer Unternehmen vor Herausforderungen stellen. Wie sollte sich die Schweiz positionieren?
Die digitale Weichenstellung der EU – Was bedeutet das für die Schweiz?
Am 13. Februar 2025 veröffentlichte die Interdepartementale Koordinationsgruppe EU-Digitalpolitik (IK-EUDP) eine umfassende Analyse zu den Auswirkungen der europäischen Digitalpolitik auf die Schweiz. Im Fokus stehen 33 zentrale Massnahmen und Regularien der EU, darunter der AI Act, der Data Act und der Cyber Resilience Act. Diese Regulierungsvorhaben könnten nicht nur den Binnenmarktzugang von Schweizer Unternehmen zum EU-Raum betreffen, sondern auch bereits bestehende Handels- und Datenschutzabkommen zwischen der Schweiz und der EU beeinflussen.
Überblick über zentrale Regulierungsbereiche
- AI Act (Verordnung 2024/1689)
Der AI Act legt strikte Anforderungen an Künstliche Intelligenz fest, insbesondere für Hochrisiko-KI-Systeme. Schweizer Unternehmen, die KI-gestützte Produkte oder Dienstleistungen in der EU anbieten, müssen sich an die neuen Vorgaben halten, was eine Anpassung der Compliance-Strategien und Risiko-Managementsysteme erforderlich macht.
- Cyber Resilience Act (Verordnung 2024/2847)
Die EU führt erstmals eine einheitliche Regelung für Cybersicherheitsanforderungen von digitalen Produkten ein. Hersteller müssen Cybersicherheit bereits bei der Produktentwicklung berücksichtigen und verpflichten sich zur Meldung von Sicherheitsvorfällen. Dies betrifft auch Schweizer Unternehmen, die Produkte auf dem EU-Markt anbieten. Auch hier steigen die Compliance-Anforderungen.
- Data Act (Verordnung 2023/2854)
Der Data Act regelt den fairen Zugang zu Industriedaten und legt fest, wer auf welche nicht-personenbezogenen Daten zugreifen darf. Für Schweizer Unternehmen bedeutet dies potenzielle Anpassungen ihrer Datenstrategie, insbesondere wenn sie als Datenhalter oder -verarbeiter in der EU tätig sind.
Herausforderungen und Handlungsbedarf für die Schweiz
Die Analyse der IK-EUDP zeigt, dass die Schweiz trotz der regulatorischen Entwicklungen ihren Binnenmarktzugang in der EU weitgehend erhalten kann. Dennoch bestehen drei wesentliche Herausforderungen, die nicht unterschätzt werden sollten:
Regulierungsdruck und Handelshemmnisse
Ohne eine Anpassung nationaler Regelungen an EU-Standards könnten neue Marktzugangshürden entstehen. Insbesondere das Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) müsste aktualisiert werden, um zusätzliche Anforderungen für KI- und Cybersicherheitsprodukte zu berücksichtigen.
Notwendigkeit einer eigenen Digitalstrategie
Die Schweiz verfolgt bisher eine eigenständige Digitalstrategie. Um im internationalen Wettbewerb nicht zurückzufallen, wäre eine verstärkte Angleichung an europäische Standards sinnvoll, insbesondere im Bereich KI und Datenmanagement.
Kooperationsmöglichkeiten mit der EU
Die Schweiz könnte sich in digitale Forschungs- und Innovationsprogramme der EU einbringen, um regulatorische Entwicklungen frühzeitig mitzugestalten. Eine stärkere institutionelle Anbindung an EU-Digitalinitiativen würde zudem den Einfluss der Schweiz auf zukünftige Regulierungsvorhaben stärken.
Schweizer KI-Strategie: Verpasste Chance oder kluger Pragmatismus?
Während die EU mit dem AI Act klare Vorgaben zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz schafft, verzichtet der Bundesrat bislang auf eine eigene KI-Gesetzgebung (mehr dazu in unserem Beitrag hier). Diese zurückhaltende Haltung birgt erhebliche Risiken. Ohne verbindliche Regeln bleibt unklar, welche Standards Schweizer Unternehmen künftig einhalten müssen, um auf dem EU-Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Zudem droht der Schweiz ein Kontrollverlust über die Gestaltung der Rahmenbedingungen für KI-Anwendungen. Anstatt aktiv eine zukunftsorientierte, innovationsfreundliche Regulierung zu entwickeln, bleibt die Schweiz in einer passiven Beobachterrolle – ein strategischer Nachteil in einem sich rasant entwickelnden Technologiebereich.
Zukunftsaussichten für die Schweiz in der digitalen Ära
Die EU-Digitalpolitik entwickelt sich dynamisch und stellt die Schweiz vor neue Herausforderungen. Die Analyse zeigt, dass derzeit keine unmittelbaren Risiken für den Binnenmarktzugang bestehen, langfristig jedoch Anpassungen nötig sein werden. Eine proaktive Positionierung in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit und Datenökonomie ist entscheidend, um Innovationspotenziale zu nutzen und regulatorische Hürden frühzeitig zu minimieren.
Quellen