Am 12. Februar 2025 publizierte der Bundesrat die Auslegeordnung zu möglichen Regulierungsansätzen zur künstlichen Intelligenz (KI), mit deren Ausarbeitung er im November 2023 das UVEK und das EDA beauftragt hatte. Auf der Basis dieser Auslegeordnung hat sich der Bundesrat für einen Regulierungsansatz für KI entschieden: die Ratifizierung der KI-Konvention des Europarates mit sektoriellen Anpassungen in bestehenden Gesetzen.
Der Regulierungsansatz des Bundesrates orientiert sich an drei Zielen:
• Stärkung des Innovationsstandorts Schweiz,
• Wahrung des Grundrechtsschutzes inklusive der Wirtschaftsfreiheit, sowie
• Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in KI.
Auf dieser Grundlage soll das EJPD zusammen mit dem UVEK bis Ende 2026 (!) eine Vernehmlassungsvorlage und einen Umsetzungsplan erstellen. Wir reflektieren in diesem Beitrag die Auswirkungen sektorieller Regulierung.
I. Auslegeordnung
Die Auslegeordnung basiert auf drei Basisanalysen: die rechtliche, die sektorielle und die Länderanalyse. Die Ergebnisse der Basisanalysen zeigen, dass bezüglich der Regulierung von KI in der Schweiz Handlungsbedarf besteht.
- Die rechtliche Basisanalyse
Die rechtliche Basisanalyse rechtliche Basisanalyse untersucht die Auswirkungen und Vorgaben der KI-Konvention des Europarats, des AI Act der Europäischen Union (EU AI Act) und die Aktualität ausgewählter schweizerischer Rechtsgebiete.
- Die sektorielle Analyse
Die sektorielle Analyse gibt einen Überblick über die bestehenden und geplanten Änderungen im Bundesrecht in verschiedenen Sektoren.
- Punktueller Handlungsbedarf: In bestimmten Rechtsgebieten besteht spezifischer Anpassungsbedarf. Insgesamt bieten die bestehenden Normen jedoch bereits Antworten auf viele Fragen im Zusammenhang mit der Regulierung von KI.
- Bereits erfolgte Anpassungen in technologiegetriebenen Sektoren: Einige Sektoren haben bereits erste gesetzliche Anpassungen vorgenommen, insbesondere im Zusammenhang mit den neuen Datenschutzbestimmungen, die auch die Nutzung von KI-Anwendungen betreffen.
- Die Länderanalyse
Die Länderanalyse stellt die regulatorischen Entwicklungen in 20 ausgewählten Ländern dar. Dahingehend wurde folgendes festgestellt:
- Unterschiedliche internationale Regulierungsansätze: Weltweit verfolgen Länder verschiedene Ansätze zur Regulierung von KI. Viele befinden sich in einer Prüfphase und abgesehen von den EU-Mitgliedstaaten haben bisher nur wenige Länder spezifische KI-Regulierungen verabschiedet und in Kraft gesetzt.
- Gemeinsames Bewusstsein für Handlungsbedarf: Es besteht ein globales Verständnis dafür, dass Massnahmen zur Regulierung von KI erforderlich sind, wobei der risikobasierte Ansatz des EU AI Act oft als Vorbild dient.
Zusammenfassend zeigen die Analysen, dass die Schweiz in der KI-Regulierung aktiv werden muss, sowohl in rechtlicher Hinsicht als auch sektorspezifisch. Gleichzeitig ist es wichtig, internationale Entwicklungen zu berücksichtigen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft im globalen Kontext zu erhalten und den Schutz der Grundrechte von Personen, die durch den Einsatz von KI betroffen sind, sicherzustellen. Darauf beruhend wurden 3 mögliche Regulierungsansätze für die Schweiz ausgearbeitet.
II. Regulierungsansätze für KI in der Schweiz
Die Schweiz verfolgte bislang einen technologieoffenen und innovationsfreundlichen Ansatz in der KI-Regulierung. Dennoch zeigt eine Analyse der aktuellen Gesetzeslage, dass punktueller Handlungsbedarf besteht, insbesondere in Bezug auf Transparenz, Haftung und Grundrechtsschutz. Im Wesentlichen gibt es drei denkbare Regulierungsansätze:
- Fortführung der themen- und sektorspezifischen Regulierungen
Dieser Ansatz würde Anpassungen in relevanten Rechtsgebieten wie Datenschutz oder Produktsicherheit und Finanzmarktregulierung vorsehen. Es gäbe keine übergreifende, spezifische KI-Regulierung, sondern Anpassungen innerhalb bestehender Gesetze. Diese Strategie wäre am wenigsten invasiv und würde am ehesten den bisherigen regulatorischen Grundsätzen der Schweiz entsprechen. Dennoch können Inkonsistenzen zwischen den Sektoren entstehen und neue Risiken könnten unzureichend abgedeckt sein.
- Ratifikation der KI-Konvention des Europarats
Die internationale KI-Konvention des Europarates adressiert über den Datenschutz hinaus auch ethische und menschenrechtliche Aspekte. Die Schweiz könnte diese Konvention ratifizieren und national umsetzen, wobei verschiedene Umsetzungsgrade denkbar sind. Innerhalb der minimalen Umsetzung würden nur grundlegende Prinzipien der Konvention übernommen werden, wobei die weitergehende Umsetzung zu einer Ergänzung mit zusätzlichen nationalen Vorschriften führen würde. Vorteilhaft wäre dabei die Internationale Anschlussfähigkeit und hohe Flexibilität. Dennoch müssten die weniger spezifischen Regeln als etwa der EU AI Act im Blick bleiben.
- Anpassung an den EU AI Act
Die Schweiz könnte ihre Gesetzgebung auch an die Vorgaben des EU AI Act anpassen, um den Zugang zum EU-Binnenmarkt zu erleichtern. Daran vorteilhaft wäre die Rechtssicherheit für Unternehmen, der Erhalt des EU-Marktzugangs und die Vermeidung von Handelshemmnissen. Die regulatorische Eigenständigkeit der Schweiz wäre dadurch aber eingeschränkt und ein möglicher hoher Anpassungsaufwand für Schweizer Unternehmen ist nicht auszuschliessen.
Ein zentraler Punkt der regulatorischen Überlegungen für diesen Ansatz ist die wirtschaftliche Vereinbarkeit mit internationalen Handelsstandards. Dies betrifft insbesondere das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) zwischen der Schweiz und der EU. Da 12 von 20 Produktsektoren im MRA von den Vorgaben des EU AI Act betroffen sind, müsste die Schweiz ihre Produktvorschriften anpassen, um Handelshemmnisse mit der EU zu vermeiden. Dies erfordert eine Aktualisierung oder Erweiterung des MRA um den KI-Bereich. Eine solche Anpassung wäre jedoch frühestens 2028 im Zuge der Stabilisierung des bilateralen Wegs zwischen der Schweiz und der EU möglich.
III. Würdigung und Ausblick
Der Entscheid des Bundesrates, das Thema der KI-Regulierung nun aktiv anzugehen, ist ausdrücklich zu begrüssen. Die Entscheidung der Schweiz, anstelle eines eigenen Gesetzes zur Regulierung von KI die KI-Konvention des Europarates zu ratifizieren und damit künstliche Intelligenz durch sektorspezifische Anpassungen zu regulieren, könnte allerdings langfristig auch nachteilige Auswirkungen haben:
- Fragmentierung der Regulierung: Ein sektorspezifischer Ansatz könnte zu uneinheitlichen Regelungen in verschiedenen Branchen führen, die für Unternehmen und Anwender gleichermassen schwer nachvollziehbar sind. Auch erhöht dies die Komplexität für Unternehmen, die in mehreren Sektoren tätig sind. Weiter könnte dies die Effizienz und Kohärenz der Regulierung beeinträchtigen. Sodann führt dies zwangsläufig dazu, dass ausländische Technologieanbieter dies Schweiz zu letzt berücksichtigen, weil die Anpassung an schweiz-individuelle Regulierung kosten- und zeitintensiv ist.
- Gefahr von Regulierungslücken: Da KI-Technologien oft sektorübergreifend eingesetzt werden, besteht die Gefahr, dass bestimmte Anwendungen nicht eindeutig einem Sektor zugeordnet werden können, somit unreguliert bleiben, womit eine regulatorische Grauzone entsteht.
- Koordinationsaufwand: Die Entwicklung und Umsetzung sektoraler Regelungen erfordern eine enge Abstimmung zwischen verschiedenen Behörden und Sektoren, was zu erhöhtem administrativem Aufwand für die Beteiligten führen kann. Potenzielle Interessenkonflikte sind dabei nicht auszuschliessen. Auch führt dies für die Compliance der Unternehmen dazu, dass unter Umständen für ein Produkt verschiedene KI-Regeln gelten können, mangels allgemeingültiger Regeln.
- Wettbewerbsnachteile: Im Vergleich zu Ländern mit umfassenden, horizontalen KI-Regulierungen könnte die Schweiz als weniger stringent wahrgenommen werden, was zu Spannungen in internationalen Handelsbeziehungen führen könnte und den Produkte Launch für die Schweiz verzögert.
- Verzögerte Reaktionsfähigkeit: Die rasche Entwicklung von KI erfordert flexible und schnelle Anpassungen des Rechtsrahmens. Ein sektorspezifischer Ansatz ist erfahrungsgemäss mit teilweise erheblichem Zeitaufwand verbunden und könnte die Reaktionsfähigkeit der Regulierung beeinträchtigen, da Anpassungen in mehreren Sektoren gleichzeitig erforderlich wären.
- Vertrauensverlust der Bevölkerung: Uneinheitliche oder lückenhafte Regulierung könnte das Vertrauen der Bevölkerung in den sicheren Einsatz von KI untergraben, insbesondere wenn es zu Vorfällen kommt, die auf regulatorische Lücken zurückzuführen sind und den Betroffenen keine oder unzureichende Möglichkeiten zum Schutz ihrer Rechte bieten.
Die Entscheidung des Bundesrats zeigt, dass die Schweiz einen pragmatischen Weg in der KI-Regulierung verfolgt. Durch die Kombination aus verbindlichen und unverbindlichen Massnahmen soll eine Balance zwischen Rechtssicherheit und technologischer Offenheit geschaffen werden. Während die Schweiz von einer umfassenden sektorübergreifenden Regulierung absieht, wird durch die Ratifizierung der KI-Konvention des Europarats und gezielten Anpassungen in wichtigen Sektoren eine internationale Anschlussfähigkeit sichergestellt. Es ist nun Aufgabe der beteiligten Institutionen, den regulatorischen Rahmen so zu gestalten, dass sowohl die Innovationskraft der Schweiz erhalten bleibt als auch gesellschaftliche und rechtliche Risiken minimiert werden.
Quellen