Klimaschutz, Menschenrechte und unternehmerische Sorgfaltspflichten gewinnen zunehmend an Bedeutung – auch in der Schweizer Gesetzgebung. Der Bundesrat hat sich zur nachhaltigen Unternehmensführung positioniert und strebt eine Weiterentwicklung der nationalen Regulierung an, die mit den Entwicklungen in der EU Schritt hält. Doch was bedeutet das konkret für Schweizer Unternehmen?
Rechtlicher Hintergrund und politischer Kontext
Seit dem 1. Januar 2022 gelten für grosse Schweizer Unternehmen umfassende Berichts- und Sorgfaltspflichten im Bereich der Nachhaltigkeit. Diese erstrecken sich über Umwelt- und Sozialaspekte hinaus und betreffen insbesondere auch Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Korruptionsbekämpfung sowie spezifisch die Themen Kinderarbeit und Konfliktmineralien.
Die Regelungen beruhen auf der Revision des Obligationenrechts (Art. 964a ff. OR) und orientieren sich an internationalen Standards wie den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen und den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Unternehmen sind zur Berichterstattung verpflichtet, sofern sie bestimmte Schwellenwerte erfüllen (u. a. 500 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt sowie eine Bilanzsumme von mindestens CHF 20 Mio. oder Umsatz von mindestens CHF 40 Mio.).
Neue Dynamik durch EU-Gesetzgebung
Auf europäischer Ebene treibt die EU-Kommission im Rahmen des „Green Deal“ mehrere Gesetzesinitiativen voran. Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) trat am 25. Juli 2024 in Kraft und zielt darauf ab, verbindliche Sorgfaltspflichten entlang globaler Lieferketten zu etablieren. Zudem erweitert die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) den Umfang und die Tiefe der Nachhaltigkeitsberichterstattung erheblich. Um Unternehmen hier zu entlasten, wurde die Initiative zur Vereinfachung und Vereinheitlichung bestehender ESG-Berichtspflichten (erstes Omnibus-Simplification-Paket) geschaffen. Details dieser Initiative lesen lesen Sie in unserem Beitrag ESG-Update 2025: Das Erste Omnibus-Simplification-Paket – Erleichterungen und Herausforderungen.
Der Bundesrat verfolgt das Ziel, Wettbewerbsnachteile für Schweizer Unternehmen zu vermeiden und deren Compliance-Strukturen mit den EU-Vorgaben kompatibel zu halten. Daher werden die bestehenden Vorschriften im Obligationenrecht überprüft und – falls erforderlich – angepasst. Im Zentrum stehen dabei die Transparenzpflichten und die Anforderungen an die unternehmerische Sorgfalt in Lieferketten.
Ergebnisse der Vernehmlassung und wirtschaftliche Implikationen
Am 26. Juni 2024 eröffnete der Bundesrat eine Vernehmlassung zur Erweiterung der Transparenzpflichten. Die Rückmeldungen fielen unterschiedlich aus: Während Nichtregierungs- und Konsumentenschutzorganisationen weitergehende Verpflichtungen forderten, warnten Wirtschaftsverbände vor zusätzlicher Bürokratie. Breite Zustimmung fand die Forderung nach administrativen Vereinfachungen – ein Hinweis darauf, dass die Umsetzbarkeit der Vorschriften sorgfältig geprüft werden sollte.
In einer vom Bundesrat in Auftrag gegebenen Studie der BSS Volkswirtschaftliche Beratung AG wird hervorgehoben, dass eine einseitige Verschärfung ohne internationale Abstimmung die Attraktivität des Standorts Schweiz beeinträchtigen könnte. Eine abgestimmte Weiterentwicklung mit der EU soll daher Rechts- und Planungssicherheit sowie Wettbewerbsneutralität gewährleisten.
Auswirkungen auf die Unternehmenspraxis
Schweizer Unternehmen sollten sich frühzeitig auf potenziell strengere und zugleich vereinheitlichte Anforderungen einstellen. Schon heute ist es ratsam, dass Compliance-Verantwortliche, Legal Counsel und CSR-Beauftragte:
- bestehende ESG-Strategien im Hinblick auf künftige Regulierung überprüfen,
- strukturierte Risikoanalysen in der Lieferkette etablieren,
- die interne Nachhaltigkeitsdokumentation und -kommunikation professionalisieren.
Die Verankerung von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) im Risikomanagement und in der Unternehmensstrategie wird zunehmend nicht nur aus ethischen, sondern auch aus regulatorischen Gründen unternehmerisch relevant.
Umweltfreundliche Werbung von Unternehmen neu auch geregelt
Unternehmen, die mit umweltfreundlichen Aussagen werben, sollten sicherstellen, dass diese durch objektive und überprüfbare Grundlagen belegt werden können. Sie werden durch die neu eingeführte Bestimmung des UWG, genauer Art. 3 Abs. 1 lit. x UWG, weniger anfällig auf damit verbundene Sanktionen. Gemäss der neu eingeführten Bestimmung handelt nämlich unlauter, wer Angaben über sich, seine Waren, Werke oder Leistungen in Bezug auf die verursachte Klimabelastung macht, die nicht durch objektive und überprüfbare Grundlagen belegt werden können.
Die Umsetzung von ESG-Kriterien erfordert bereits eine umfangreiche Berichterstattung und ermöglicht Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsleistungen transparent darzustellen. Eine etablierte Nachhaltigkeitsberichterstattung kann dazu beitragen, Greenwashing-Vorwürfen entgegenzuwirken und die Glaubwürdigkeit von Umweltwerbung zu erhöhen.
Dies verdeutlicht erneut, dass die Schweiz Umwelt- und Nachhaltigkeitsbelange im unternehmerischen Kontext keineswegs verharmlost und sich für mehr Transparenz einsetzt. Mehr über den neuen Artikel des UWG erfahren Sie auch im Beitrag Greenwashing und Klimabehauptungen: Ab 2025 gelten in der Schweiz neue Regeln.
Handlungsempfehlungen
- Frühzeitige Evaluation der internen Berichtsprozesse und Abgleich mit den EU-Standards (CSRD, CSDDD) sowie und Anpassung an sich abzeichnende gesetzliche Änderungen
- Anpassung interner Richtlinien, Berücksichtigung neuer gesetzlicher Anforderungen und Integration von ESG-Kriterien in die Unternehmensstrategie
- Aufbau von Governance-Strukturen, die ESG-Verantwortung auf Führungsebene verankern; zudem sollten digitale Tools zur Erfassung und Auswertung von Nachhaltigkeitskennzahlen implementiert werden
Fazit und Ausblick
Nachhaltige Unternehmensführung ist heute mehr als eine ethische Orientierung – sie ist rechtlich verankert, international eingebettet und zunehmend wirtschaftlich relevant. Mit seiner aktuellen Initiative verfolgt der Bundesrat das Ziel, eine kohärente Regulierung zu schaffen, die Schweizer Unternehmen nicht isoliert, sondern in europäische Rahmenbedingungen integriert. Entscheidend wird sein, dass neue Regelungen praxistauglich, differenziert und risikobasiert ausgestaltet werden. Die laufenden Entwicklungen auf EU-Ebene sind dabei richtungsweisend: Nach aktuellem Zeitplan ist im Frühjahr 2026 mit einer überarbeiteten Gesetzgebung in der Schweiz zu rechnen.
Quellen
- Medienmitteilung des Bundesrats vom 21. März 2025
- Vernehmlassungsergebnisse zur Änderung des Obligationenrechts (PDF)
- Studie zu den Auswirkungen der EU-Sorgfaltspflichtregeln (PDF)
- EU-Pressemitteilung zur CSRD und CSDDD vom 26.02.2025