Ausgangslage: Reform der Sportförderverordnung und neuer Branchenstandard
Mit der Revision der Sportförderverordnung (SpoFöV) im Jahr 2023 und der Einführung des neuen Branchenstandard von Swiss Olympic stellte die Schweizer Sportpolitik die Weichen für strukturelle Veränderungen. Der Verordnungsgeber hat für die Umsetzung seiner Anpassung eine Übergangsfrist bestimmt, sodass die Anpassungen ab dem 1. Januar 2025 in Kraft zu stehen haben. Für Aufmerksamkeit sorgte die neu eingeführte Geschlechterquote: In den obersten Leitungsgremien der nationalen Sportverbände müssen künftig beide Geschlechter zu mindestens 40 Prozent vertreten sein (Art. 72d Abs. 1 lit. b Ziff. 3 SpoFöV).
Der von Swiss Olympic erlassene Branchenstandard ist formal ein privatrechtliches Instrument. Dennoch entfaltet er faktische Rechtswirkung, da seine Einhaltung Voraussetzung für die Vergabe staatlicher Fördermittel ist. Man spricht hier auch vom Begriff des „Soft Law“, um solche normativen, aber nicht gesetzlich verankerten Regelungen zu erfassen.
Ziel und Herausforderungen
Die Quotenregelung für nationale Sportverbände steht im Dienst eines übergeordneten Ziels: einer gerechteren Verteilung von Macht und Einfluss. Frauen sind in Führungsfunktionen nach wie vor stark unterrepräsentiert – auch im Sport. Die Quote ist kein Allheilmittel, aber ein notwendiges Instrument, um strukturelle Barrieren abzubauen, Vorbilder zu schaffen und die Sichtbarkeit weiblicher Führungspersönlichkeiten zu erhöhen. Für kantonale und lokale Vereine gilt noch keine Quotenvorgabe. Jedoch hält der Branchenstandard von Swiss Olympic fest, dass ab Anfang 2026 eine «individuelle Geschlechterquote» in den Statuten der lokalen Vereine zu verankern ist, falls diese Bundesgelder beziehen.
Natürlich ist die Umsetzung mit Aufwand verbunden. Insbesondere kleinere, ehrenamtlich geführte Verbände stehen vor organisatorischen Hürden. Doch dieser Herausforderung kann mit gezielter Unterstützung begegnet werden. etwa durch Weiterbildungsangebote, Mentoring-Programme für Frauen im Sport oder administrative Hilfestellungen für die Umsetzung der neuen Standards. Swiss Olympic und die öffentliche Hand sind gefordert, diesen Wandel aktiv zu begleiten.
Auswirkungen auf die Praxis
Die Quote ist eingebettet in ein umfassendes Reformpaket: Governance-Vorgaben, Ethikregeln und Nachhaltigkeitsstandards bilden den neuen Rahmen für die Sportförderung. Schutzkonzepte gegen Diskriminierung, Amtszeitbeschränkungen und klare Regelungen zu Interessenkonflikten stärken die Integrität des Sports insgesamt. Die Reform schafft somit nicht nur mehr Gleichstellung, sondern auch mehr Transparenz, Fairness und Verantwortung.
Daraus ergibt sich, dass Compliance-Verantwortliche und Juristen neue Leitlinien entwickeln, Satzungen anpassen und Prozesse dokumentieren müssen, um die Einhaltung nachzuweisen. Gleichwohl stellt sich die Frage nach der juristischen Klarheit der neuen Vorgaben. Die rechtliche Bindungswirkung des Branchenstandards, der durch Swiss Olympic als privatrechtliche Dachorganisation entwickelt wurde, ist nicht ohne Weiteres gegeben. Nichtsdestotrotz fungiert er als Quasirechtsquelle, nicht zuletzt, weil die Einhaltung seiner Vorgaben künftig über den Zugang zu staatlichen Mitteln entscheidet.
Erfüllt ein nationaler Sportverband den geforderten Geschlechteranteil gemäss Art. 72d Abs. 1 lit. b Ziff. 3 SpoFöV nicht, bleibt der Zugang zu Bundesmitteln dennoch möglich – sofern der Verband darlegen kann, welche konkreten Massnahmen er zur Erreichung der Quote ergriffen hat oder plant. Im Vordergrund steht nicht die sofortige Sanktion, sondern der kooperative Dialog mit dem Ziel, tragfähige Lösungen zu entwickeln und eine mittelfristige Umsetzung sicherzustellen. Damit wird ein konstruktiver Weg beschritten, der sowohl die Förderpraxis als auch die strukturelle Gleichstellung nachhaltig stärken soll.
Fazit und Ausblick
Die Einführung einer verbindlichen Geschlechterquote für Führungsgremien nationaler Sportverbände ist mehr als ein politisches Statement – sie markiert einen strukturellen Wendepunkt im Schweizer Sportsystem. Die Regelung bringt nicht nur Gerechtigkeit auf den Punkt, sondern bietet auch eine konkrete Chance, tief verankerte Ungleichgewichte aufzubrechen. Gerade im Sport, der gesellschaftlich oft als Spiegelbild unserer Werte fungiert, sendet diese Reform ein starkes Signal: Vielfalt, Gleichstellung und verantwortungsvolle Führung gehören zu den zentralen Bausteinen einer zukunftsfähigen Organisation.
Zugleich zeigt die Umsetzung: Die Quote ist nicht Selbstzweck, sondern Teil eines ganzheitlichen Governance-Ansatzes. Sie wird flankiert von ethischen Leitlinien, Transparenzanforderungen und Schutzmechanismen gegen Diskriminierung – all das stärkt die Legitimität und gesellschaftliche Verantwortung des Sports. Der durch die neue Regelung erzeugte Handlungsdruck mag zunächst herausfordernd erscheinen, insbesondere für kleinere Organisationen. Doch genau darin liegt auch das Potenzial für einen kulturprägenden Wandel: Durch gezielte Förderung, fachliche Unterstützung und klare Zielvorgaben entsteht ein neues Normal, das Vielfalt als Bereicherung begreift und strukturell absichert.
Nicht zuletzt braucht es eine laufende Evaluation der Wirkung: Wird die Quote tatsächlich zu mehr Diversität führen? Wo bestehen strukturelle Hürden, und wie lassen sie sich abbauen? Solche Fragen dürfen nicht unbeantwortet bleiben – sie gehören zum ernsthaften politischen und gesellschaftlichen Willen zur Gleichstellung.
Kurzum: Die Geschlechterquote ist kein Hemmschuh für Autonomie, sondern ein Motor für Entwicklung. Sie bietet dem Schweizer Sport die Chance, sich strukturell, ethisch und gesellschaftlich zukunftsfähig aufzustellen – fair, transparent und inklusiv. Wer Vielfalt will, muss sie gestalten. Und wer sie gestaltet, stärkt den Sport als Spiegel einer offenen, gerechten Gesellschaft.
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