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Pränatale und Genetische Untersuchungen erfreuen sich wachsender Beliebtheit, was ein verstärktes Bedürfnis zur Regulierung der damit verbundenen Risiken mit sich bringt. Ein solcher Risikobereich betrifft den Schutz der Daten urteilsunfähiger Personen. Das am 15. Juni 2018 in Kraft getretene und 1. Dezember 2022 revidierte Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG, SR 810.12) regelt, wie mit genetischen Daten umzugehen ist, die im Rahmen von Untersuchungen an ungeborenen oder urteilsunfähigen Personen erhoben werden. Der Beitrag erörtert, wie eine korrekte Durchführung genetischer Untersuchungen unter Beachtung der Datenschutzbestimmungen des GUMG und gegebenenfalls des DSG sowie der kantonalen Datenschutzbestimmungen zulässig ist.

1. Anwendungsbereich des Gesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen

Der Geltungsbereich des Gesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG, SR 810.12) erstreckt sich auf sämtliche genetischen und pränatalen Untersuchungen beim Menschen. Gemäss Art. 1 GUMG dient das Gesetz dem Schutz der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte. Es soll ausserdem die Qualität der Untersuchungsdurchführung sicherstellen und den Missbrauch von genetischen Daten bei der Durchführung von Untersuchungen und im Umgang mit diesen Daten verhindern.

2. Allgemeine Grundsätze

Das GUMG enthält drei allgemeine Grundsätze:

  1. Erstens dürfen genetische und pränatale Untersuchungen nur mit der vorherigen Einwilligung der betroffenen Person gemäss Art. 5 GUMG und nach ausreichender Aufklärung durchgeführt werden. Den Prinzipien des Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG, SR 235.1) zufolge kann diese Einwilligung jederzeit widerrufen werden.
  2. Zweitens gewährt Art. 6 GUMG jeder betroffenen Person das Recht auf Nichtwissen, wodurch sie die Offenlegung ihrer genetischen Daten ablehnen kann. Die Ergebnisse der Untersuchung unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht und dürfen nur der betroffenen Person mitgeteilt werden, nicht aber Dritten.
  3. Zuletzt wird der Schutz der genetischen Daten gemäss Art. 7 GUMG auch durch die ärztliche Schweigepflicht sichergestellt. Um die genetischen Daten zu schützen, muss das Recht auf Selbstbestimmung respektiert werden und die Untersuchungen dürfen nur von Ärzten durchgeführt werden, die zur eigenständigen Ausübung ihres Berufs befugt sind.

3. Datenschutz bei genetischen Untersuchungen

Das GUMG verlangt höhere Anforderungen an die Einwilligung und die Aufbewahrung von Daten und stärkt so den Datenschutz und das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person. Die allgemeinen Bestimmungen des DSG werden im GUMG konkretisiert, wobei die spezialgesetzlichen Datenschutzbestimmungen des GUMG Vorrang gegenüber denen des DSG haben.

4. Informationelle Selbstbestimmung

Der Schutz der informationellen Selbstbestimmung stellt einen Teilgehalt des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes (Art. 13 BV), insbesondere des Schutzes der Privatsphäre bzw. der Garantie des Privatlebens dar.

Die Besonderheit der Garantie liegt darin, dass ihr Schutz an die Zuordnung einer Information an die Person anknüpft, unabhängig davon, ob die Information inhaltlich einen privaten Charakter hat. Es wird von der Vorstellung der Herrschaft des Einzelnen über die ihn betreffenden Informationen ausgegangen.

Der Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet, dass jede Person grundsätzlich selbst darüber bestimmen darf, wem und wann sie persönliche Lebenssachverhalte mitteilt und in welchem Ausmass diese Informationen bearbeitet werden. Mit der Verankerung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in der Verfassung und seiner Konkretisierung in den Datenschutzgesetzen des Bundes und der Kantone wird dem wachsenden Gefährdungspotenzial moderner Informationstechnologien Rechnung getragen.

5. Umgang mit Überschussinformationen

Das revidierte GUMG enthält explizite Regelungen zu Überschussinformationen. Unter Überschussinformationen werden gemäss Art. 3 lit. n GUMG Ergebnisse genetischer Untersuchungen verstanden, die nicht für den eigentlichen Untersuchungszweck benötigt werden. Überschussinformationen müssen nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit so weit wie möglich vermieden werden. Bei den Untersuchungsmethoden muss diejenige gewählt werden, die keine oder weniger Überschussinformationen generiert. Eine vollständige Verhinderung der Entstehung dieser nicht anvisierten Informationen ist in vielen Fällen nicht möglich. Daher ist es wichtig, bereits während der Aufklärung auf die Möglichkeit der Entstehung von Überschussinformationen hinzuweisen.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann zugezogen werden, um den Anspruch auf daraus geschaffene Daten sowie Überschussinformationen zu bestimmen. Nach dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat eine Person, soweit sie urteilsfähig ist, das Recht auf Kenntnis aller Daten der Untersuchung sowie auch Überschussinformationen, soweit es sich um Untersuchungen im medizinischen Bereich handelt.

6. Urteilsunfähige Personen

Bei Untersuchungen an urteilsunfähigen Personen, insbesondere bei pränatalen Untersuchungen nach Art. 17 GUMG, gelten besondere Anforderungen an die Mitteilung an die zur Vertretung berechtigten Person. Die Informationen dürfen in diesen Fällen nur mitgeteilt werden, wenn es zum Schutz der Gesundheit der urteilsfähigen Person (z.B. der Mütter) notwendig ist oder wenn es sich um Informationen über eine schwere Erbkrankheit in der Familie handelt. Anderenfalls dürfen die genetischen Daten nicht den zur Vertretung berechtigten Personen – insbesondere auch nicht den Inhabern der elterlichen Obhut – mitgeteilt werden.

Die genetischen Daten und Proben dürfen zu ihrem Schutz nur unter bestimmten Voraussetzungen aufbewahrt werden und nur so lange, wie es zur Durchführung der Untersuchung oder zur Führung von Patientendossiers erforderlich ist. Die Verwendung der Proben und genetischen Daten zu einem anderen Zweck darf nur unter der ausdrücklichen und informierten Zustimmung der betroffenen Person erfolgen.

In diesem Fall sind auch strafrechtliche Konsequenzen i.S. von Art. 56 und 57 GUMG denkbar.

7. Kritische Würdigung

Wollen nun die Inhaber der elterlichen Obhut eine Vorsorge für ihr Kind betreiben, z.B. weil sie davon überzeugt sind Daten sicherer aufzubewahren zu können als ein Arzt oder Spital, so bleibt ihnen dies verwehrt. Dies erscheint u.E. stossend und sollte nochmals überdacht werden.

 

Quellen