Die neue EU-Ökodesign-Verordnung fordert auch von Schweizer Unternehmen, ihre Produkte nachhaltiger zu gestalten und einen digitalen Produktpass einzuführen. Dies betrifft fast alle Produktkategorien und erfordert Anpassungen in Produktion und Dokumentation, um den Zugang zum EU-Markt zu sichern. In diesem Artikel erläutern wir, auf was zu achten ist.
Die neue EU-Ökodesign-Verordnung: Herausforderungen und Chancen für Schweizer Unternehmen
Die Europäische Union verfolgt mit der neuen Ökodesign-Verordnung (EU 2024/1781) ein ehrgeiziges Ziel: Sie möchte den ökologischen Fussabdruck von Produkten massgeblich verringern und Europa bis 2050 klimaneutral machen. Die Verordnung, welche die bisherige Richtlinie von 2009 ersetzt, erweitert die Anforderungen und dehnt den Anwendungsbereich erheblich aus. Für Schweizer Unternehmen, die ihre Produkte im EU-Markt anbieten, bringt die Verordnung wesentliche Änderungen und Herausforderungen mit sich. Der folgende Beitrag beleuchtet die Hintergründe, die wichtigsten Bestimmungen und erklärt, was Schweizer Unternehmen tun müssen, um die Anforderungen zu erfüllen.
Hintergrund und Ziele der Ökodesign-Verordnung
Die neue Ökodesign-Verordnung ist Teil des umfassenden «European Green Deal», der als Nachhaltigkeitsstrategie der EU den Klimaschutz vorantreiben soll. Mit dem Klimagesetz und dem EU-Emissionshandelssystem (ETS) als Hauptsäulen zielt die Verordnung auf die Verringerung der Umweltauswirkungen von Produkten ab – von der Produktion über den Gebrauch bis zur Entsorgung. Durch spezifische Anforderungen an Energieverbrauch, Materialzusammensetzung und weitere Umweltaspekte möchte die EU die Umwelteffizienz steigern und Abfälle reduzieren. Damit soll auch der Wettbewerb auf dem europäischen Markt gefördert werden, indem nachhaltige Produkte einen höheren Stellenwert erhalten.
Erheblicher Ausbau des Anwendungsbereichs
Die bisherige Ökodesign-Richtlinie beschränkte sich auf energieverbrauchsrelevante Produkte wie Waschmaschinen, Kühlschränke und andere Haushaltsgeräte. Die neue Verordnung hingegen umfasst fast alle Produkte, die auf dem EU-Markt vertrieben werden – von Möbeln und Textilien bis zu Spielzeugen und Bauprodukten. Nur wenige Produkte wie Lebensmittel, Medikamente oder Verteidigungsgüter sind von der Verordnung ausgenommen. Die Ausweitung des Anwendungsbereichs stellt sicher, dass eine breite Palette von Konsum- und Investitionsgütern nachhaltig gestaltet werden muss.
Wer ist betroffen?
Die Verordnung richtet sich an alle „Wirtschaftsteilnehmer“ innerhalb der Lieferkette, die Produkte in Verkehr bringen oder in Betrieb nehmen. Dazu zählen:
- Hersteller: Sie sind primär verantwortlich für die Einhaltung der Anforderungen, insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeit und Produktinformationen.
- Bevollmächtigte und Importeure: Unternehmen, die Produkte in die EU einführen, müssen sicherstellen, dass diese den neuen Standards entsprechen.
- Händler und Vertreiber: Auch Händler müssen zukünftig sicherstellen, dass die Produkte, die sie vertreiben, den Ökodesign-Standards entsprechen.
- Fulfillment-Dienstleister: Selbst Logistikunternehmen, die Produkte für den EU-Markt lagern und ausliefern, müssen bestimmte Anforderungen einhalten.
Ein wichtiges Detail für Schweizer Unternehmen: Es gibt keine allgemeine KMU-Ausnahme. Die Verordnung gilt grundsätzlich auch für kleine und mittlere Unternehmen, wenn sie Produkte auf dem europäischen Markt vertreiben.
Die zentralen Anforderungen der Ökodesign-Verordnung
Die Verordnung definiert klare Anforderungen an die Nachhaltigkeit und Transparenz von Produkten. Zwei wesentliche Elemente sind dabei die spezifischen Nachhaltigkeitsanforderungen und der digitale Produktpass (DPP).
- Nachhaltigkeitsanforderungen
Produkte müssen künftig bestimmte Leistungsstandards erfüllen, die von der EU festgelegt werden. Dazu zählen unter anderem:
- Energieeffizienzanforderungen: Mindestwerte für Energieverbrauch und Emissionen, die sicherstellen, dass Produkte während ihrer Lebensdauer effizient arbeiten.
- Materialanforderungen: Der Anteil recycelter Materialien in Produkten wird reguliert, und bestimmte schädliche Stoffe sind beschränkt oder verboten.
- Lebensdauer und Reparierbarkeit: Produkte müssen so gestaltet sein, dass sie leicht repariert werden können, was durch ein Verbot bestimmter Technologien und Materialien erreicht wird. Ziel ist es, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern und die Abhängigkeit von Ressourcen zu verringern.
- Verbot der Vernichtung unverkaufter Produkte: Unverkaufte Produkte dürfen nicht mehr ohne Weiteres entsorgt oder zerstört werden, sondern müssen entweder recycelt oder weiterverwendet werden.
Diese Anforderungen fördern nicht nur die Nachhaltigkeit, sondern auch die Transparenz gegenüber Konsumenten, die sich zunehmend für die Umweltfreundlichkeit der Produkte interessieren, die sie kaufen.
- Der digitale Produktpass (DPP)
Eine der bedeutendsten Neuerungen ist die Einführung eines digitalen Produktpasses (DPP). Produkte dürfen in der EU nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn sie über einen DPP verfügen, der elektronisch abrufbare Informationen zum Produkt enthält. Der DPP umfasst:
- Konformitätserklärungen: Diese Bestätigung belegt, dass das Produkt den Ökodesign-Anforderungen entspricht.
- Nachhaltigkeits-Scores: Angaben zur Lebensdauer und Reparierbarkeit des Produkts, die den Verbrauchern bei ihrer Kaufentscheidung helfen.
- Produktinformationen und Umweltparameter: Informationen zu den ökologischen Eigenschaften des Produkts, wie z. B. dem CO₂-Fussabdruck oder der Materialzusammensetzung.
Der DPP ist über QR-Codes oder Wasserzeichen auf dem Produkt oder dessen Verpackung zugänglich und soll Konsumenten eine fundierte Kaufentscheidung ermöglichen.
Umsetzung der Verordnung für Schweizer Unternehmen
Da die Verordnung auch auf Schweizer Produkte Anwendung findet, die in den EU-Markt exportiert werden, ist eine frühzeitige Vorbereitung für Unternehmen unerlässlich. Schweizer Firmen, die Produkte in die EU liefern, müssen die Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen, bevor ihre Produkte in Verkehr gebracht werden können. Ein Versäumnis kann empfindliche Geldbussen, den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und sogar Schadensersatzforderungen nach sich ziehen.
Zeitplan und Übergangsfristen
Die Ökodesign-Verordnung ist offiziell am 18. Juli 2024 in Kraft getreten. Delegierte Rechtsakte, die konkrete Anforderungen für verschiedene Produktgruppen festlegen, werden jedoch voraussichtlich erst ab Juli 2025 wirksam. Ab dann haben Unternehmen noch eine Übergangsfrist von 18 Monaten, um die Ökodesign-Anforderungen umzusetzen – dies bedeutet, dass die verbindlichen Bestimmungen frühestens Ende 2026 verpflichtend werden.
Auswirkungen auf Unternehmensprozesse
Die Einhaltung der neuen Ökodesign-Verordnung erfordert eine umfassende Integration in die bestehenden Unternehmensprozesse, von der Produktentwicklung bis zur Berichterstattung und Logistik. Hier sind einige Massnahmen, die Schweizer Unternehmen in Betracht ziehen sollten:
- Überprüfung und Anpassung der Produktentwicklung: Bestehende Produkte müssen möglicherweise überarbeitet werden, um die Anforderungen an Energieverbrauch und Materialverwendung zu erfüllen.
- Anpassung der Produktionsprozesse: Der erhöhte Einsatz recycelter Materialien und die Einhaltung von Energieeffizienzstandards erfordern Investitionen und möglicherweise Änderungen in der Produktionstechnologie.
- Dokumentation und Nachverfolgbarkeit: Die Einführung des digitalen Produktpasses verlangt eine genaue Dokumentation der Umwelteigenschaften von Produkten sowie ein effektives Datenmanagement.
- Schulungen für Mitarbeiter: Da die Anforderungen komplex sind und kontinuierliche Anpassungen erfordern, sollten Mitarbeitende auf allen Ebenen im Umgang mit den neuen Standards geschult werden.
Fazit und Ausblick
Die neue Ökodesign-Verordnung der EU bringt tiefgreifende Veränderungen mit sich, die sich langfristig positiv auf die Umwelt und die Nachhaltigkeit im europäischen Markt auswirken sollen. Für Schweizer Unternehmen, die den EU-Markt beliefern, ist die frühzeitige Auseinandersetzung mit diesen Anforderungen unerlässlich, um mögliche Risiken zu minimieren und wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch wenn einige Details erst durch die delegierten Rechtsakte finalisiert werden, können Unternehmen bereits jetzt damit beginnen, ihre Prozesse anzupassen und sich auf die neuen Standards vorzubereiten.
Indem Unternehmen sich auf die neuen Anforderungen einlassen, können sie nicht nur Risiken minimieren, sondern auch die Chance nutzen, als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit aufzutreten – ein Faktor, der im Wettbewerb immer wichtiger wird.
Wenn Sie mehr zur Relevanz und dem Impakt der Ökodesign-Verordnung für Schweizer Unternehmen wissen möchten, finden Sie hier eine Präsentation mit mehr Informationen.
Quellen