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Im Dezember letzten Jahres rückte eine Meldung die Gaming-Welt weiter in den Vordergrund des Mainstream: Zwischen dem Entwickler des beliebten Battle-Royale „Fortnite“, Epic Games („Epic“), und der US-amerikanischen Federal Trade Comission („FTC“), die sowohl eine Wettbewerbs- als auch eine Verbraucherschutzbehörde ist, wurde ein rekordbrechender Vergleich in Höhe von 520 Millionen USD (ca. 473 Millionen EUR) geschlossen. Die Vergleichssumme setzt sich zusammen aus der tatsächlichen Strafzahlung in Höhe von 275 Millionen USD und den restlichen 245 Millionen USD, aus denen die FTC Erstattungszahlungen an die betroffenen Spieler:innen leisten will.

Hintergründe des Vergleichs

Gegenstand des Streits war der Vorwurf der FTC, Epic habe gegen das amerikanische Gesetz zum Schutz der Privatsphäre von Kindern im Internet (Children’s Online Privacy Protection Act, auch COPPA) verstoßen, sowie Designtricks eingesetzt (sog. „Dark Patterns“), um Millionen von Spieler:innen zu ungewollten Käufen zu verleiten.

Verstöße gegen COPPA

Insgesamt sah die FTC im Verhalten von Epic und der Ausgestaltung des Spiels Fortnite zwei grobe Verstöße gegen COPPA.

Zum einen war die FTC der Meinung, Epic sei sich bewusst gewesen, dass Fortnite von vielen Kindern und Jugendlichen gespielt werde, was u.a. Umfragen unter Fortnite-Nutzern, die Lizenzierung und Vermarktung von vorrangig an Kindern und Jugendlichen gerichtetem Fortnite-Spielzeug und -Waren, Spieler:innen-Support und weitere unternehmensinterne Kommunikation belegten. Trotz dieses Wissens habe Epic personenbezogene Daten von Kindern gesammelt, ohne die dafür notwendige Zustimmung der Eltern einzuholen. An Löschungsanträge der Eltern habe Epic unzumutbare Hürden gestellt und sei Löschungsverlangen zum Teil nicht nachgekommen.

Zudem hätten bereits die Standardeinstellungen des Spiels Kindern und Jugendlichen geschadet. In Fortnite war die Text- und Sprachkommunikation standardmäßig für die Spieler:innen aktiviert. Kinder und Jugendliche wurden beim Spielen von Fortnite sodann durch Fremde gemobbt, bedroht, belästigt und gefährlichen und psychologisch traumatisierenden Themen, wie Selbstmord, ausgesetzt. Bereits 2017 hätten Mitarbeitende von Epic auf die Notwendigkeit eines Opt-Ins für Voice Chat insbesondere in Hinblick auf die Gefahren für Kinder und Jugendliche vergeblich hingewiesen.

Illegale Dark Patterns

Die FTC behauptete darüber hinaus, dass Epic in Fortnite sogenannte Dark Patterns verwendet habe, um Spieler:innen zu versehentlichen Käufen zu verleiten.

Dark Patterns ist ein von Harry Brignull geprägter Begriff. Laut Brignull sind Dark Patterns im Wesentlichen bewusst getroffene Designentscheidungen, die auf einem tiefgründigen Verständnis der menschlichen Psychologie beruhen und dazu bestimmt sind, Nutzer:innen zu einem Verhalten zu verleiten, welches diese unter anderen Umständen nicht getroffen hätten, weil es für sie nachteilig ist.

Zum einen habe nach Ansicht der FTC die bewusst gewählte kontraintuitive, inkonsistente und verwirrende Platzierung von Buttons sowie die Tatsache, dass Käufe mit einem einzelnen Button-Klick ohne Bestätigung getätigt werden können, zu Käufen in Höhe von mehreren hundert Millionen geführt. Dazu gehört auch, dass Käufe teilweise beim Aufwecken des Spiels aus dem Sleep-Mode sowie während Ladescreens getätigt werden konnten.

Zum anderen habe Epic das Spiel Fortnite derart ausgestaltet, dass es bis ins Jahr 2018 Kindern erlaubt war, die Spielwährung V-Bucks durch einfaches Betätigen von Tasten und Buttons zu kaufen, ohne dass eine Einwilligung oder ein weiteres Zutun eines Elternteils notwendig war.

Epic habe zudem Accounts gesperrt, wenn die Accountinhaber:innen nicht-autorisierte Käufe von ihren Kreditkarten beim jeweiligen Finanzinstitut storniert haben. Die Accountsperre bedeutete für Spieler:innen, dass sie Zugriff auf ihre sämtlichen gekauften Inhalte verloren, obwohl sie sich nur gegen einen nicht-autorisierten Kauf gewendet hatten.

Rechtliche Einordnung von Dark Patterns in Deutschland und der EU

Eine einheitliche Legaldefinition von Dark Patterns, die sämtliche von der FTC gerügten Praktiken umfasst, liegt derzeit noch nicht vor. Das neue EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA, VO (EU) 2022/2065) spricht in Erwägungsgrund (67) explizit von Dark Patterns und versteht darunter „Praktiken, mit der darauf abgezielt oder tatsächlich erreicht wird, dass die Fähigkeit der Nutzer, eine autonome und informierte Auswahl oder Entscheidung zu treffen, maßgeblich verzerrt oder beeinträchtigt wird“. Derartige Praktiken werden in Art. 25 DSA verboten. Demnach dürfen Anbieter von Online-Plattformen, ihre Online-Schnittstellen nicht so „konzipieren, organisieren oder betreiben, dass Nutzer getäuscht, manipuliert oder anderweitig in ihrer Fähigkeit, freie und informierte Entscheidungen zu treffen, maßgeblich beeinträchtigt oder behindert werden“.

Der Digital Service Act gilt (mit Ausnahme einzelner Normen die schon früher gelten) ab dem 17.2.2024 und ist als Europäische Verordnung auch ohne weitere Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber direkt anwendbar. Unklar ist noch, ob Computerspiele eine „Online-Plattform“ im Sinne des DSA darstellen. Mit Blick auf die Definition der Online-Plattform in Art. 3 i) DSA sind jedenfalls Fälle denkbar in denen dies so wäre.

Selbst wenn eine Vielzahl von Spielen nicht unter den Begriff der Online-Plattformen fallen sollte, heißt dies jedoch noch nicht, dass Dark Pattern keine rechtlichen Schranken gesetzt sind. Grenzen bildet vor allem der Wettbewerbs- und Verbraucherschutz. So können – abhängig von der konkreten Ausgestaltung – Dark Patterns unlautere geschäftliche Handlungen im Sinne der § 3 Abs. 1, 2 UWG darstellen oder die Unlauterkeitstatbestände der §§ 5 ff. UWG erfüllen.

Bestimmte Regelungen und Prinzipien des Rechts, wie etwa der Art. 25 DSA, oder das in Art. 25 DSGVO verankerte Privacy-by-Design, wonach Datenschutz schon bei der Konzeptionierung und Entwicklung von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen beachtet werden soll, deuten einen Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung von Verbrauchern und Verbraucherverhalten durch die Gesetzgebung an. Denn bereits darin ist die Zunahme an Bedeutung der verhaltensökonomischen Sichtweise und Notwendigkeit ethischer Design-Ansätze auch für die Gesetzgebung erkennbar. Insbesondere, wenn Fälle wie FTC vs. Epic weiterhin öffentlichkeitswirksam diskutiert werden, kann eine weitere Anpassung von Recht an die Realität erwartet werden.

Fazit

Gerade der Verbraucher- und Jugendschutz war im Gaming-Bereich immer von erheblicher Relevanz und gewinnt durch Dark Patterns eine weitere Facette. Falls der DSA keine Anwendung auf die meisten Games finden sollte, könnte der Gesetzgeber geeignete Maßnahmen ergreifen, um Dark Paterns auch außerhalb des Wettbewerbsrechts zu bekämpfen. Die Bedeutung der Spieleindustrie nimmt stetig zu. Damit steigt auch die Notwendigkeit von klaren und verbraucherschützenden Regelungen, die dennoch nicht fernab der Realität und berechtigten Interessen von Spieleherstellern liegen.