In einer Zeit, in der uns das Internet es ermöglicht, mittels einfachen Knopfdrucks von der Couch aus schnell und einfach auf das Wissen und die geistige Inhalte des gesamten Globus zurück zu greifen, sind klassische Staatsgrenzen im digitalen Raum nur von untergeordneter Bedeutung. Zur regionalen Sperrung von Inhalten durch Anbieter hat sich daher seit über einem Jahrzehnt das sog. Geoblocking etabliert. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat kürzlich festgestellt, dass Geoblocking von Produktschlüsseln auf der Plattform Steam durch den Betreiber Valve und mehrere Publisher (u.a. Bandai Namco & Capcom) eine Verletzung europäischen Wettbewerbsrechts darstellen.
Der freie Handel und Warenverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten ist einer der wichtigsten Grundpfeiler der Europäischen Union. Um diesen zu schützen überwacht die Europäische Kommission die Märkte und greift bei grenzüberschreitenden Wettbewerbsverstößen durch Mitgliedstaaten oder Marktteilnehmer auch immer wieder selbst untersuchend und im Verletzungsfalle maßregelnd ein. Nachdem die Kommission Informationen erhalten hatte, dass bestimmte Videospiele auf der Plattform „Steam“ aufgrund des Nutzerstandorts einem Geoblocking unterlagen und diese Vorwürfe sich in der Untersuchung bestätigten, verhängte die Europäische Kommission gegen Valve und fünf Spieleverleger (Bandai Namco, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax) mit Beschluss vom 20. Januar 2021 mit Geldbußen in Höhe von insgesamt 7,8 Millionen Euro.
Die Vale Corporation, die dabei mit einer Geldbuße von mehr al 1,6 Millionen Euro belegt wurde, legte daraufhin gegen diesen Beschluss beim Gericht der Europäischen Union (EuG) Nichtigkeitsklage ein, mit der sie jedoch nun im Ergebnis scheiterte. Mit Urteil vom 27. September 2023 bestätigte der EuG die Auffassung der Europäischen Kommission und wies die Klage ab.
Ausgangsfall – Was ist Steam und Geoblocking?
Um die Entscheidung des EuG einordnen zu können, ist zunächst wichtig zu verstehen, was sowohl Geoblocking als auch Steam sind. Das Geoblocking ist eine technische Möglichkeit der verschiedenen Anbieter, Internetinhalte regional zu sperren. Sie kommt insbesondere zum Schutz des Urheberrechts bei Werken zum Einsatz, die über das Internet verbreitet werden und abrufbar sind. Im Alltag ist Geoblocking besonders im Bereich der Musik- und Filmübertragung bekannt, z.B. bei Plattformen wie YouTube oder Streamingdiensten (Netflix & Co). Im Rahmen des Geoblockings ermitteln Anbieter im Internet – mittels der IP-Adresse – aus welchem Herkunftsland die jeweiligen Nutzer im konkreten Fall auf ihr Angebot zugreifen, um diese (z.B. aus länderspezifischen urheberrechtlichen Gründen) die konkreten Nutzer von der Anzeige oder der Nutzung von bestimmten Internetinhalten ausschließen.
Steam ist eine 2003 on Valve entwickelte und seitdem betriebene Internet-Vertriebsplattform für Computerspiele und Software, aber auch für Filme, Serien und Computergeräte, auf die täglich Millionen von Nutzer zugreifen. Sie ist gerade im Gaming-Bereich besonders populär, in dessen Commuinty Valve CEO Gabe Newell auch in scherzhafter Verwendung „Lord Gaben“ genannt wird. Über die Steam-Plattform können Nutzer nach ihrer Anmeldung PC-Videospiele direkt herunterladen oder streamen. Für Spieleverleger ermöglicht Steam sowohl den Online-Vertrieb, die Wartung (Patchen), als auch das digitale Rechtemanagement (DRM) der Spiele. Der Vertrieb eines Spiel erfasst die Abwicklung der notwenigen finanzielle Transaktion (den Kauf), das anschließende Herunterladen der Programmdaten, die Freischaltung/Entschlüsselung der Programmdaten und die Installation der Software. Die Herkunft des Nutzers wird hierzu vor allem über die IP-Adresse ermittelt und anhand dessen der Plattform-Shop („Steam Store“) angepasst.
Valve stellt zudem mit Aktivierungsschlüsseln die technischen Mittel bereit, mit denen die Videospiele der Verlage auf Steam aktiviert und gespielt werden können, auch wenn sie nicht auf Steam gekauft wurden. Die Verlage weisen diese Schlüssel ihren PC-Videospiele zu, sodass die betreffenden Spiele nur mit diesen Schlüsseln aktiviert werden können. Valve bietet den Verlagen im Rahmen dieser Aktivierungsschlüssel eine Funktion zur Gebietskontrolle an, sodass die Aktivierung der PC-Videospiele geografisch beschränkt werden konnte. Die Verknüpfung der Aktivierungsschlüssel mit der Gebietskontrollfunktion führt dazu, dass die Aktivierung von PC-Videospielen abhängig vom geografischen Standort des Nutzers (im Rahmen des Geoblocking) blockiert werden konnte.
Diese Verknüpfung des Gebietskontrollfunktion mit den Aktivierungsschlüsseln war Gegenstand der Prüfung der Europäischen Kommission und des späteren Verfahrens vor dem EuG. Nach den Feststellungen der Europäischen Kommission wurde so in jedenfalls abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Valve und den Publishern bei etwa 100 Spielen dafür gesorgt, dass die Aktivierung bestimmter Videospiele dieser Publisher mit Schlüsseln aus bestimmten Mitgliedsstaaten (u.a. des Baltikums) in anderen Mitgliedstaaten nicht möglich war.
Maßgebliches Ziel dieser Beschränkungen war es, den Kauf der Aktivierungsschlüssel in europäischen Ländern mit niedrigeren Preisen durch Vertriebshändler oder Nutzer in anderen (auch europäischen) Ländern, in denen die Preise für die Aktivierungsschlüssel deutlich höher sind, zu verhindern.
Die Entscheidung des EuG
Der EuG sah, ebenso wie die Europäische Kommission zuvor, in der absprachegemäßen Gestaltung der Produktschlüssel einen Verstoß gegen europäisches Wettbewerbsrecht; konkret liegt in den beschränkten Aktivierungsschlüsseln liegt ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 AEUV.
Nach Art. 1 Abs. 1 AEUV sind alle Absprachen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen verboten, wenn sie geeignet sind den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen und eine Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Als besonderes Beispiel dafür nennt das Gesetzt die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen (Art. 1 Abs. 1 lit. a AEUV), sowie die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern (Art. 1 Abs. 1 lit d AEUV).
Nach Auffassung von Vale in ihrer Nichtigkeitsklage gegen das festgesetzte Bußgeld habe die Europäische Kommission fehlerhaft festgestellt, dass Absprachen bzw. aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Vale und jedem der fünf Videospielherausgeber vorlagen und die konkrete Verhaltensweise von Vale und den Publishern dabei falsch beurteilt. Zudem habe die Europäische Kommission zu Unrecht angenommen, dass in den beschränken Aktivierungsschlüsseln eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung liegt, da die Kommission nach Auffassung von Vale deren Rolle zweiseitiger Plattform und die Art der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen (digitale Videospiele) nicht berücksichtigt habe. Insbesondere habe das Gericht den notwendigen urheberrechtlichen Schutz der Videospiele im Internet übersehen.
Diesen Argumenten teilte der EuG eine Absage, der feststellte, dass hinreichend nachgewiesen ist, dass es entweder eine Vereinbarung zwischen Valve und den Publishern oder (beim Fehlen einer solchen) jedenfalls eine abgestimmte Verhaltensweise gab, deren Zweck vor allem darin lag, Paralleleinfuhren durch Geoblocking der Schlüssel zu beschränken und so zu verhindern, Spiele, die in einigen europäischen Ländern zu niedrigen Preisen vertrieben werden, von Händlern und Nutzern anderer europäischen Länder nicht gekauft werden können.
Nach Auffassung des Gerichts verfolgte das Geoblocking damit nicht das Ziel, die Urheberrechte der Verleger der PC-Videospiele zu schützen, sondern sollte das hohe Niveau der von den Verlegern in verschiedenen Mitgliedsstaaten erhobenen Lizenzgebühren und darüber hinaus die von Valve erzielten Marge schützen.
Der EuG stellte insoweit noch einmal zu Recht fest, dass das Urheberrecht den Inhabern der betreffenden Rechte zwar die Möglichkeit sichern soll, das Inverkehrbringen oder die Bereitstellung der Schutzgegenstände Lizenzgebühren monetär zu verwerten. Dieser Schutz umfasst jedoch nicht die Möglichkeit, die höchstmögliche Vergütung zu verlangen oder in einer Weise zu agieren, die zu einem künstlichen Preisunterschied zwischen abgeschotteten nationalen Märkten führt.
Das Gericht stellte damit noch einmal die Wechselwirkung zwischen dem Urheberrechtsschutz und dem Wettbewerbsrecht der Union heraus. Die vom Gericht aufgezeigten Grundsätze sind dabei nicht nur auf den Verkauf von Online-Spielen, sondern den sämtlichen Vertrieb von digitalen Inhalten innerhalb der Europäischen Union anwendbar.