ICOs[1] wurden zu Beginn als „Revolution“[2] und „the next big thing“[3] gefeiert. Der bisher größte ICO (EOS der Firma Block.one) brachte 4,2 Mrd. Dollar ein[4]. Doch Zahlen[5] belegen, dass der Hype um ICOs wieder abgenommen hat und Unternehmen sich wieder den klassischen, regulierteren Finanzierungsformen zuwenden. Gründe dafür werden u.a. im hohen Risiko für Investoren aufgrund der mangelnden Regulatorik gesehen. Nun hat die EU mit MiCA einen regulatorischen Rahmen für Kryptowerte geschaffen, dessen erklärtes Ziel es ist, ICOs zu fördern und damit eine Erweiterung der Finanzierungsquellen für Unternehmen zu erreichen. Wie werden ICOs in Zukunft geregelt werden? Und ist MiCA die Chance für die EU, eine Vorreiterrolle in der Kryptoregulierung einzunehmen und ICOs zu einem festen Bestandteil der Finanzierungslandschaft zu verhelfen?
Diesen Fragen wenden sich diese Artikel, pünktlich zur Verabschiedung von MiCA, in einer Trilogie zu. Im heutigen ersten Beitrag werden zunächst ICOs und die verschiedenen Token-Formen definiert und ihre bisherige Rechtslage dargestellt. Im zweiten Teil wird dann die künftige Regulierung unter MiCA vorgestellt, bevor im dritten Teil dann eine Aussicht auf die künftige Entwicklung von ICOs nach MiCA gegeben wird.
I. Definitionen und bisherige Rechtslage
- Was ist ein ICO?
Initial Coin Offering (ICO) ist ein Verfahren, bei dem zuvor erzeugte Token in einem öffentlichen Bieterverfahren, im sog. Token Sale, veräußert werden[6]. Der Kaufpreis kann dabei üblicherweise in Kryptowährungen (z.B. Bitcoin, Ether etc.) oder gesetzlicher Fiatwährung (z.B. Euro, US-Dollar) geleistet werden[7]. Unterschieden wird dabei – je nachdem, welche Art von Token verkauft wird – in „Initial Coin Offering“ (ICO) (bei Currency-Token), Initial Token Offering (ITO) (bei Utility-Token) und „Security Token Offering“ (STO) (bei Security-Token) .
ICOs können und werden auch zur Unternehmensfinanzierung genutzt. Dabei werden neue Token erzeugt und verkauft. Das Unternehmen nimmt dabei das Geld ein und der Käufer spekuliert (meist) auf eine Wertsteigerung. Ein ICO weist funktionell also gewisse Ähnlichkeiten zu einem IPO (Initial Public Offering) auf. Im Unterschied zu einem IPO, also der Emission von Aktien, verbrieft ein Token allerdings keinen Anteil am Unternehmen (also ohne die entsprechenden Rechte (und Pflichten) eines Aktionärs und damit Miteigentümers).
Der Vorteil des ICO gegenüber klassischeren Formen der Unternehmensfinanzierung ist, dass diese bisher deutlich weniger streng reguliert waren und die kapitalsuchenden Unternehmen beim Erstverkauf einen deutlich weniger streng regulierten Prozess durchlaufen müssen. Auch können durch das Verfahren Transaktionskosten aufgrund der Blockchain-Technologie reduziert und Intermediäre durch smart contracts, also auf der Blockchain als Programmcode gespeicherte selbstausführende schuldrechtliche Verträge[8], ersetzt werden[9].
Bisheriger Kritikpunkt bei ICOs ist, dass diese durch den Mangel an Regulatorik und folglich der fehlenden Prospektpflicht beim ICO sowie der geminderte Anreiz zur Transparenz aufgrund der Tatsache, dass ICOs nur auf eine Finanzierungsrunde ausgelegt sind, in einer hohen Informationsasymmetrie zwischen Emittenten und Investoren resultieren[10]. Dies stellt ein erhebliches Risiko für Investoren, insbesondere Verbraucher, dar.
- Token
Grundsätzlich können Token in drei Kategorien unterteilt werden: Currency-Token, Utility-Token und Equity-Token. Aufgrund der verschiedenen Ausgestaltungen der jeweiligen Kategorien und den zahlreichen Mischformen (sog. Hybrid-Token) konnte die BaFin bisher keine allgemeingültige Aussage zu der jeweiligen Rechtsnatur geben. Sie weist stets darauf hin, dass eine aufsichtsrechtliche Einordnung immer konkret am Einzelfall erfolgen muss[11].
a) Currency-Token
Currency-Token (auch Payment-Token oder Zahlungstoken genannt) stellen die wohl bekannteste Form von Token dar. Hierzu zählen etwa Bitcoin (BTC), Ethereum (ETH) oder Ripple (XRP), aber auch der eigens von der größten Krypto-Börse der Welt, Binance, herausgebrachte Binance Coin (BNB). Currency-Token werden von der BaFin auch als Zahlungstoken bzw. Payment-Token bezeichnet und sind „ähnlich wie Bitcoin ausgestaltet, eine Nutzung der Token als alternatives Zahlungsmittel ist vom Anbieter beabsichtigt“[12].
Solche Zahlungstoken stellen für die BaFin keine Wertpapiere im Sinne des WpPG dar, weshalb für ihren ICO keine Pflicht zur Erstellung eines Wertpapierprospekts gemäß § 3 WpPG und die dazugehörige Prospekthaftung entsteht. Auch stellten Currency-Token keine Vermögensanlagen im Sinne des subsidiär geltenden VermAnlG dar. Folglich besteht für den ICO keine Pflicht zur Erstellung eines Verkaufsprospektes.
Die BaFin qualifiziert Zahlungstoken allerdings als Finanzinstrumente nach dem KWG. Somit können die Emittenten erlaubnispflichtig nach dem KWG sein. Insbesondere gelten dann auch die Pflichten des § 24 ff. KWG. Wenn der Emittent als Finanzdienstleistungsinstitut nach § 1 Abs. 1a Nr. 6 KWG (Kryptoverwahrgeschäft) qualifiziert wird, sind sie gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 GwG auch Verpflichtete nach dem GwG und müssen die Vorschriften zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einhalten.
b) Utility-Token
In ihrem Hinweisschreiben[13] definiert die BaFin Utility-Token als „Krypto-Token, die Zugriff auf bestimmte Dienstleistungen oder Produkte erlauben, ähnlich einer Eintrittskarte oder eines
Gutscheins“. MiCA selbst hat eine ähnliche Definition für Krypto-Token: Gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 MiCA sind Utility-Token: „ein (…) Kryptowert, der dazu bestimmt ist, digitalen Zugang zu einer Ware oder Dienstleistung zu verschaffen, über DLT verfügbar ist und nur vom Emittenten dieses Tokens akzeptiert wird“. Ein Beispiel für einen solchen Token ist der FTX Token (FTT) der nun insolventen Krypto-Börse FTX. Durch FTT konnten Kunden niedrigere Handelsgebühren und andere Vorteile auf der FTX-Plattform nutzen.
Diese Art von Token stellen momentan die Mehrzahl der in Deutschland durch einen ICO emittierten Token dar[14].
Die BaFin stuft in ihrem Hinweisschreiben von 2019 Utility-Token nicht als Wertpapiere im Sinne des WpPG oder Vermögensanlagen im Sinne des VermAnlG dar[15]. Dies bedeutet, dass bei Emission eines Utility-Tokens weder eine Wertpapierprospektpflicht besteht, noch ein Verkaufsprospekt erstellt werden muss.
Auch würden solche Token die Anforderungen an ein Finanzinstrument nach dem KWG nicht erfüllen[16], weshalb insbesondere keine Erlaubnispflicht für den Emittenten bestehe. Demnach fehlt nach Ansicht der BaFin auch die Eigenschaft als Finanzdienstleistungsinstitut nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 GwG und damit die Eigenschaft als Verpflichteter des GwG.
c) Security-Token
Die BaFin definiert Security-Token wie folgt: „Inhabern solcher Token stehen mitgliedschaftliche Rechte oder schuldrechtliche Ansprüche vermögenswerten Inhalts zu, die denen eines Aktieninhabers oder Inhabers eines Schuldtitels vergleichbar sind (z. B. Ansprüche auf dividendenähnliche Zahlungen, Mitbestimmung, Rückzahlungsansprüche, Verzinsung)“[17]. Diese Art von Token weist Ähnlichkeiten zu einer VC-Beteiligung oder Vermögensanlage über Crowd Investment auf[18].
Solche Token werden von der BaFin grundsätzlich als Wertpapiere im Sinne der ProspektVO, des WpPG und des WpHG eingeordnet[19]. Damit geht auch hier eine Prospektpflicht inklusive Haftung dafür einher. Weiterhin seien Security-Token Finanzinstrumente im Sinne des KWG[20]. Folglich bestehen nach der BaFin auch Erlaubnispflichten für die Emittenten. Bei Qualifizierung des Emittenten als Finanzdienstleistungsinstitut nach § 1 Abs. 1a Nr. 6 KWG (Kryptoverwahrgeschäft) ist dieser gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 GwG auch Verpflichteter nach dem GwG und muss die Vorschriften zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einhalten.
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