Die US-Bildagentur Getty Images hat StabilityAI, die Macher:innen der künstlichen Intelligenz (KI) Stable Diffusion, wegen Urheberrechtsverstößen vor dem High Court of London verklagt. Der Grund: das Unternehmen habe in millionenfachen Fällen zum Trainieren von Stable Diffusion Werke verwendet, die bei Getty lizenziert werden müssten. Ein Parallelfall: drei Kunstschaffende in den USA haben vor kurzer Zeit ebenfalls gegen StabilityAI, die Kunstplattform DeviantArt und die Hersteller der KI-Software Midjourney geklagt. Ihre Bilder seien ohne Erlaubnis zum gleichen Zweck verwendet worden.
Beide KIs können durch die Eingabe von Text-Prompts (z.B. „ein Shiba Inu, tanzend auf einem Tisch, im Stil von Botticelli, helle Farben“) oder von Bildvorlagen neue Bilder kreieren. Die Ergebnisse fallen mal absolut absurd, mal täuschend echt aus. So kann man sich schon mal einen Sonntagnachmittag lang beschäftigen.
KI gehört zu den Themen, die in den kommenden Jahren nur noch wichtiger in unserem Leben und auch im Immaterialgüterrecht werden. Beide Fälle sind nun ein guter Anlass, zu untersuchen, wie die Rechtslage bei einer solchen Klage in Deutschland wäre. Denn auch mit den Rechtsproblemen, die solche Bildgeneratoren aufwerfen, kann man sich einen Sonntagnachmittag lang beschäftigen.
KIs wie Stable Diffusion werden mit Datensätzen gefüttert, um das Programm bei der Erkennung von Mustern zu trainieren. Dazu gehört Content aller Art, auch solcher, der urheberrechtlich geschützt ist. In der Forschung werden in der Regeln Datenbanken (§§ 87a ff. UrhG) und Datenbankwerke (§ 4 UrhG) genutzt, in der Kunst geht es um (konkrete) Werke nach § 2 Abs. 2 UrhG. Der Stil bestimmter Künstler:innen ist hierbei kein eigenständiger Anknüpfungspunkt eines Urheberrechtsschutzes.
Diese automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren (originär) digitalen oder (zunächst analogen, dann später) digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen, nennt man Data Mining.
Die Auswertung von Sachinformationen ist hierbei keine urheberrechtlich relevante Handlung, sondern eher eine Form von (stets erlaubtem) Werkgenuss. Worum es vielmehr geht, ist die Zusammenstellung des geistig-schöpferischen Inhalts des Datenkorpus‘, den die KI dann auswertet. Dabei werden Werke kopiert und damit im Sinne des § 16 UrhG vervielfältigt. Wenn man über Stable Diffusion Bilder schafft, kann man immer wieder ein ganz banales Indiz für diesen Kopievorgang erkennen. Werden in Lizenzdatenbanken (wie der solchen von Getty Images) zugängliche Bilder verwendet, bemüht sich die KI, das Lizenzwasserzeichen nachzuschaffen. In anderen Fällen sucht die KI Signaturen von Künstler:innen einzufügen. Ist das ein Beweis, dass deren Kunst genutzt wurde, oder nur der Tatsache geschuldet, dass die KI das Konzept einer Signatur erkannt hat und diese nun als Teil eines normalen Bildes voraussetzt?
Glücklicherweise wurde KI in der Urheberrechtsreform von 2019 bedacht, sodass es ein paar Normen gibt, die einem Anhaltpunkte für die rechtliche Beurteilung von Bildgeneratoren geben.
Die kurzfristige Kopie von Werken in den Arbeitsspeicher eines Computers ist in der Regel nach § 44a UrhG freigestellt, insofern diese keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat. Davon kann man beim Text und Data Mining nicht sprechen.
Text und Data Mining ist jedoch gem. § 44b Abs. 1 UrhG erlaubt, wenn die benutzten Vorlagen rechtmäßig zugänglich sind. Sie müssen aber, sobald sie nicht mehr erforderlich sind, gelöscht werden. Allerdings können sich Rechtsinhaber die Nutzung (solange dies in maschinenlesbarer Form geschieht) vorbehalten (sog. Opt-out). Wenn ein Werk zur Lizenzierung im Internet verfügbar ist, liegt eine solche (dank des Wasserzeichens für alle zumindest bei Getty Images auch einfach erkennbare) Beschränkung vor. Künstler:innen können außerdem in die Bilddateien, die sie auf Seiten wie DeviantArt hochladen, digitale Wasserzeichen integrieren, die KIs beim Auslesen hindern sollen. Aber auch in AGB können Vorbehalte beinhaltet werden.
Neben § 44b UrhG gibt es noch eine spezielle Beschränkung des Urheberrechts für nicht kommerzielles, wissenschaftliches Data Mining in § 60d UrhG. StabilityAI ist zwar ein Startup. Es ist aber eng verbunden mit der Machine Vision & Learning Arbeitsgruppe um den Informatiker Prof. Björn Ommer an der LMU München. StabilityAI stellt dabei unter anderem die Server zur Verfügung, auf denen Stable Diffusion trainiert wurde. StabilityAI hat die Trainingsdaten auch nicht selbst gesammelt. Die LMU ist ebenfalls diejenige, die Stable Diffusion lizenziert. Was tut StabilityAI dann? Das Unternehmen bietet die Webdienstleistung DreamStudio an, mit der die Nutzenden dann auf Zuruf Bilder genieren.
Die in Anlehnung an spezifischen Trainingsdaten geschaffenen Werke können außerdem Bearbeitung derselben im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG darstellen. Auch solche sind den Urheber:innen vorbehalten, es sei denn, sie haben hinreichenden Abstand zur Vorlage (sog. freie Benutzung). Sehr generelle Vorgaben an die KI verletzen Urheberrechte wohl eher weniger. Wenn ich aber beispielsweise eingebe „Yayoi Kusama Selbstportrait mit Hut, Zigarre und Monokel, in Yayoi Kusamas Stil“, dann ist das Ergebnis wiederum relativ wahrscheinlich ziemlich nah an einem ihrer Originale.
Schaffe ich ein Bild einer realen Person mithilfe von Stable Diffusion stellt sich die Frage, ob dies nicht deren Recht am eigenen Bild verletzt. Umfasst werden alle Abbildungen von Personen in ihrer wirklichen, dem Leben entsprechenden Erscheinung, unabhängig von der Art der Wiedergabe. Geschützt werden soll die Freiheit jedes Menschen, ausschließlich selbst über sein dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnenden Erscheinungsbild zu bestimmen.
Dabei sind im Kunsturhebergesetz (§§ 22 f. KUG) Verbote geregelt, ohne Erlaubnis Bildnisse von anderen Personen zu verbreiten oder zur Schau zu stellen. Wird das Bildnis ohne Wissen und Wollen hergestellt (sog. Bildniserschleichung), liegt hierin eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Person gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB. Außerdem liegt ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 DSGVO vor.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass solche Bildgeneratoren gleich an mehreren Punkten rechtlich problematisch sind. Im Rahmen der anlaufenden KI-Gesetzgebung auf nationaler und EU-Ebene sollten IP- und persönlichkeitsrechtliche Aspekte beachtet werden, insbesondere aus der Sicht der Künstler:innen.