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Das LG Köln hat in seinem Urteil vom 26.10.2023 entschieden, dass eine Suchmaschine die Suchtreffer aus ihrem Index nur dann löschen muss, wenn die verlinkte Webseite offensichtlich rechtswidrige Inhalte aufweist. Für den Fall einer unklaren Rechtslage, bei der eine klare Rechtsverletzung ohne eigehende rechtliche Prüfung nicht festgestellt werden kann, besteht keine Löschpflicht (LG Köln, Urteil vom 26.10.2023, Az.: 14 O 285/23).

https://www.justiz.nrw/nrwe/lgs/koeln/lg_koeln/j2023/14_O_285_23_Urteil_20231026.html

 

Hintergrund

Mit seiner Entscheidung bezieht sich das LG Köln auf ein neues urheberrechtliches Haftungsmodell, mit dem die Störerhaftung weitestgehend durch die Täterhaftung ersetzt wird. Dies hat folgenden Hintergrund: Im Hinblick auf die Täter- und Teilnehmerhaftung war der BGH bislang der Auffassung, dass diese sich nicht nach Unionsrecht richte, sondern dass hier allein auf nationales Recht abzustellen sei. Das hat sich nunmehr geändert. Zumindest die Frage, ob Hostprovider als mittelbare Verursacher täterschaftlich für Verletzungen des Verwertungsrechts der öffentlichen Wiedergabe haften, sei nach neuester Rechtsprechung des BGH auf der Grundlage eines unionsrechtlichen Haftungskonzepts zu beantworten. Mit den Entscheidungen „YouTube II“ (BGH, Urteil vom 2.6.2022, Az.: I ZR 140/15), „uploaded II“ (BGH, Urteil vom 2.6.2022, Az.: I ZR 53/17) und „uploaded III“ (BGH, Urteil vom 2.6.2022; Az.: I ZR 135/18) führt der BGH dementsprechend eine täterschaftliche Haftung für Hostprovider als mittelbare Verursacher ein, und zwar unter ausdrücklicher Abkehr von der bisherigen Störerhaftung (Nordemann, ZUM 2022, 806, beck-online). Mit den zuvor genannten Entscheidungen setzt der BGH die EuGH-Entscheidungen „Youtube und Cyando“ (EuGH, Urteil vom 22.6.2021, Az.: C-682/18, C-683/18) in deutsches Recht um. Danach soll bei Urheberrechtsverletzungen von Nutzern solcher Plattformen zukünftig nicht mehr die allein auf Unterlassung und Beseitigung gerichtete Störerhaftung anwendbar sein. Vielmehr soll die Plattform bei Pflichtverletzungen täterschaftlich haften (Nordemann, ZUM 2022, 806, beck-online). In seinem Urteil vom 26.10.2023 beschäftigt sich das LG Köln mit der Frage, inwieweit die Erwägungen zur täterschaftlichen Haftung auch auf Suchmaschinenbetreiber übertragbar sind.

 

Sachverhalt

Bei der Klägerin handelt es sich vorliegend um ein schweizerisches Unternehmen, welches ihren Kunden Investitionen im Marktsegment von Cannabis-Pflanzen, insbesondere im Bereich medizinischer Cannabis-Produkte anbietet. Sie vermittelt Investitionen in landwirtschaftliche Plantagen von Landwirten, die kommerziell Cannabis anbauen. Das Portfolio-Angebot der Klägerin richtet sich dabei auch an deutsche Investoren. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten, einer allgemein bekannten Internetsuchmaschine, die Löschung bestimmter Suchergebnisse aus dem Index geltend.  Die Klägerin stützt ihren Anspruch darauf, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Bilder durch Verlinkung öffentlich zugänglich gemacht habe, ohne dazu berechtigt zu sein, und die entsprechenden Suchergebnisse in Deutschland abrufbar waren. Die Klägerin ist der Ansicht, es handele sich bei den Bildern um schutzfähige Computergrafiken als Werke der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG, an denen sie ausschließlich berechtigt sei. Diese Werke soll die Beklagte öffentlich zugänglich gemacht haben. Die Beklagte müsse daher, nach Auffassung der Klägerin, als Störerin haften, da sie die Suchergebnisse nach Aufforderung und Mitteilung über die behauptete Rechtsverletzung nicht entfernt habe. Diese Verwertung sei nicht nach §§ 50, 51 UrhG erlaubt.

 

Die Entscheidung des LG Köln

Das LG Köln kam im Rahmen seiner Entscheidung zu dem Schluss, dass ein Anspruch der Klägerin auf Löschung der Suchtreffer aus ihrem Index im konkreten Fall nicht bestehe. Das Gericht ging davon aus, dass die Beklagte nach der neueren Rechtsprechung zur urheberrechtlichen Intermediärshaftung grundsätzlich wegen der Verletzung von Verkehrspflichten als Täterin einer Handlung der öffentlichen Wiedergabe in Betracht komme (dazu EuGH GRUR 2021, 1054 Rn. 77 ff. – YouTube und uploaded; BGH GRUR 2022, 1308 Rn. 76 ff. – YouTube II; BGH GRUR 2022, 1328 Rn. 42 – uploaded III; zu einer ähnlichen Konstellation betreffend Suchergebnisse bei D. die Beschlussverfügung der Kammer vom 15.08.2022, Az. 14 O 211/22 – unveröffentlicht). Diese Rechtsprechung sei von Instanzgerichten, auch der hiesigen Kammer, bereits auf andere Fallgestaltungen bzw. auf Intermediäre, die nicht Videosharing- oder Sharehosting-Plattform sind, übertragen worden (vgl. OLG Nürnberg, GRUR 2023, 1453 zur Haftung einer Online-Shop-Plattform [siehe zur Entscheidung des OLG Nürnberg (OLG Nürnberg, Urteil vom 1.8.2023, Az.: 3 U 2910/22) auch: https://haerting.de/wissen/onlinemarkplatz-haftet-ab-kenntnis-fuer-urheberrechtswidrige-inhalte-dritter/]; Kammer, ZUM-RD 2023, 299 zur Haftung eines DNS-Resolvers und Content-Delivery-Networks; LG Leipzig, MMR 2023, 378 zur Haftung eines DNS-Resolvers). Die Erwägungen seien mithin, laut Auffassung des LG Köln, auch auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar. Eine generelle Privilegierung der Beklagten als Suchmaschinenbetreiberin sei weder ersichtlich, noch geboten. Vielmehr müsse mit Blick auf die Anforderungen des EuGH ggf. eine Anpassung für Suchmaschinen im Detail vorgenommen werden.

Trotz der vorgenannten Grundsätze scheitert die Haftung der Suchmaschinenbetreiberin vorliegend, nach Auffassung des Gerichtes, jedoch aufgrund der schwierigen Sachlage. Es komme nämlich darauf an, ob die haftungsbegründende Meldung über den angeblichen Urheberrechtsverstoß an den Suchmaschinenbetreiber ausreichende Angaben enthalten hat, um es dem Betreiber dieser Plattform zu ermöglichen, sich ohne eigehende rechtliche Prüfung davon zu überzeugen, dass diese Wiedergabe rechtswidrig ist und eine etwaige Löschung des betreffenden Inhalts mit der Freiheit der Meinungsäußerung vereinbar wäre (EuGH GRUR 2021, 1054 Rn. 116 – YouTube und uploaded). Dem entspreche auch die frühere Rechtsprechung des BGH, nach der eine Störerhaftung des Betreibers einer Internet-Plattform erst nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung in Betracht komme. Danach müsse der Hinweis so konkret gefasst sein, dass der Adressat den Rechtsverstoß unschwer und ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung feststellen kann

[siehe hierzu auch: https://haerting.de/wissen/haftung-von-online-plattformen-fuer-fremde-rechtsverletzungen-stoerer-oder-taeter/].

Der Umfang, der vom Plattformbetreiber zu verlangender Prüfung, hänge dabei von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere etwa vom Gericht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Betreibers auf der anderen Seite (BGH GRUR 2022, 1308 Rn. 115 m.w.N. – YouTube II). Aufgrund dieser Grundsätze und der vom LG Köln festgestellten komplexen Rechtsfrage der Anwendung der Schrankenregelungen von §§ 50, 51 UrhG liege vorliegend schon keine klare Rechtsverletzung vor, die die Beklagte ohne eigehende rechtliche Prüfung hätte feststellen können.

Weiterhin kommt das LG Köln zu dem Schluss, dass neben diesem neuen urheberrechtlichen Haftungsmodell, mit dem die Störerhaftung weitestgehend durch eine Täterhaftung ersetzt worden ist (vgl. in diesem Kontext Nordemann ZUM 2022, 806), im Streitfall keine Haftung der Beklagten in Betracht kommt. Soweit die Klägerin sich in ihrer Begründung auf Rechtsprechung zur Störerhaftung beziehe sei diese entweder überholt oder betreffe einen deliktischen Bereich außerhalb des Urheberrechts, der hier nicht einschlägig sei.