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Die deutsche Komödie von Bora Dagtekin mit Elyas M’Barek in der Hauptrolle begeisterte im Filmjahr 2013 etwa 5,6 Millionen Zuschauer und war damit der Rekordfilm des Jahres gemessen an Kinobesuchern. Die Constantin Film Produktion GmbH wollte daraufhin den Filmtitel 2015 beim Europäischen Markenamt (EUIPO) als Marke für Merchandising-Artikel eintragen lassen. Dies wurde abgelehnt mit der Begründung, „Fack Ju Göhte“ verstoße gegen die guten Sitten. Vom Gericht der Europäischen Union (EuG) wurde dies 2018 zunächst bestätigt. Nun hat der EuGh entschieden, dass kein Sittenvorstoß vorliege.

 

Zurückweisung der Markenanmeldung durch EUIPO

Im Dezember 2016 wies das EUIPO die Markenanmeldung zurück, da das angemeldete Wortzeichen gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoße, Art. 7 Abs. 1 lit. f Unionsmarkenverordnung (EUIPO, Entscheidung vom 1.12.2016, R 2205/2015-5 – Fack Ju Göhte). Diese Entscheidung wurde nun durch das EuG bestätigt (EuG, Urt. v. 24.1.2018, Rs. T-69/17).

Zunächst erläuterte das EUIPO den Sinn und Zweck der absoluten Eintragungshindernisse des Europäischen Markenrechts gemäß Art. 7 UMV. So sei das Recht der Markenanmelder auf freie Verwendung der Wörter und Bilder in den Zeichen, die als Marke angemeldet werden, gegen das Recht der Allgemeinheit abzuwägen, nicht mit störenden oder beleidigenden Marken konfrontiert zu werden.

„Fack ju“ sei im Deutschen als Slangausdruck für das englische „Fuck you“ bekannt, während „Göhte“ auch aufgrund der deutschen Kinofilme „Fack ju Göhte“ mit dem Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe gleichgesetzt werde. „Fack ju“ und „Fuck you“ seien für den deutschsprachigen Verbraucher optisch ähnlich sowie klanglich und nach ihrem Sinngehalt identisch.

Dementsprechend werde „Fack ju“ vom deutschen Publikum als Beschimpfung empfunden, die Abneigung gegenüber einer anderen Person zum Ausdruck bringe. Selbst wenn Verbraucher dem Ausdruck keine sexuelle Konnotation beimessen, stelle er eine anstößige und vulgäre Beleidigung dar. Diese verdiene keinen markenrechtlichen Schutz (EUIPO aaO Rn. 21 ff.).

Einen zusätzlichen Sittenverstoß eröffne die Bezugnahme auf Johann Wolfang von Goethe. Dieser könne durch das angemeldete Wortzeichen posthum in „herabwürdigender und vulgärer Weise verunglimpft“ werden. Ausschlaggebend für die Entscheidung sei jedoch, dass der dominierende Zeichenbestandteil „Fack ju“ derart beleidigend und unanständig sei, dass die relevanten Verkehrskreise daran Anstoß nehmen werden (EUIPO aaO Rn. 31 f.).

EuG bestätigte: „Fack ju Göhte“ wird nicht als Scherz wahrgenommen

Das EuG bestätigte nun die Zurückweisung der Markenanmeldung durch das EUIPO, da das Wortzeichen gegen die guten Sitten verstoße (EuG, Urt. v. 24.1.2018, Rs. T-69/17).

Nach Auffassung der Constantin Film GmbH verbalisiere „Fack ju Göhte“ in scherzhafter und jugendlicher Weise den Schulfrust. Schriftsteller Goethe wirke hierbei lediglich als Platzhalter. Dass die maßgeblichen Verkehrskreise in dem angemeldeten Wortzeichen den Titel eines erfolgreichen Films erkennen würden, sei jedoch nicht erwiesen (EuG aaO Rn. 30).

Darüber hinaus sei der Umstand, dass das Wortzeichen „jugendlichen Slang“ aufgreife und sich insbesondere an Schüler richte, welche sich mit dem Wortzeichen identifizieren können, irrelevant. Diese Wahrnehmung sei nicht maßgeblich. Bei der Beurteilung eines Sittenverstoßes müsse die Sichtweise einer vernünftigen Person mit durchschnittlicher Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle entsprechend dem Europäischen Verbraucherleitbild zugrunde gelegt werden (EuG aaO Rn. 34).

„Fack ju Göhte“ ist keine Inhaltsbeschreibung

Weiterhin rekurrierte die Markenanmelderin auf die Entscheidung des EUIPO zur Eintragung der Unionsmarke „Die Wanderhure“ und forderte unter Berücksichtigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung eine restriktive Auslegung des Art. 7 Abs. 1 lit. f Unionsmarkenverordnung.

Hierzu stellte das EuG fest, dass das EUIPO aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes dazu verpflichtet sei, im Rahmen der Prüfung einer Markenanmeldung die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen zu berücksichtigen. Es habe festzustellen, ob im gleichen Sinn zu entscheiden ist oder nicht (EuG aaO Rn. 37).

Im Gegensatz zu „Fack ju Göhte“ sei die „Die Wanderhure“ jedoch beschreibend für den Inhalt des gleichnamigen Films. Denn Goethe kommt im Film „Fack ju Göhte“ keine Rolle zu. Auch deswegen lasse sich – trotz des großen Publikumserfolgs – nicht der Schluss ziehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise im Wortzeichen „Fack ju Göhte“ unmittelbar den Filmtitel erkennen und es nicht als anstößig wahrnehmen würde (EuG aaO Rn. 40).

EuGH hebt das Urteil wieder auf

Constantin Film legte jedoch Rechtsmittel ein und konstatierte, dass der Filmtitel weder vulgär sei, noch gegen die guten Sitten verstoße. Sogar vom Goethe-Institut sei der Film zu Unterrichtszwecken verwendet worden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte nun fest (EuGH Urteil C 240/18 P vom 27.02.2020), dass das EUIPO keine hinreichend konkreten Aspekte vorgetragen habe, weshalb das Wortzeichen „Fack Ju Göhte“ gegen moralische Werte und Normen der Gesellschaft verstoße. Von der breiten Öffentlichkeit werde der Titel ja auch nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen.

Daher hob der EuGH das Urteil des EuG sowie die Entscheidung des EUIPO auf. Das EUIPO muss somit erneut über die Markenanmeldung von Constantin Film entscheiden.