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Mit dem kürzlich gestarteten Gesetzgebungsprozess will der Bundesrat grosse Online‑Plattformen und Suchmaschinen wie Google, Facebook, TikTok oder X zu mehr Fairness, Transparenz und Nutzerrechten verpflichten. Nutzerinnen und Nutzer sollen künftig besser geschützt werden – von Melde‑ und Beschwerdeverfahren über klare Informationspflichten bis hin zu höherer Daten‑ und Werbetransparenz. Ein historischer Schritt zur Regulierung der digitalen Infrastruktur in der Schweiz.

Warum ein neues Gesetz nötig ist

Digitale Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen haben sich zu tragenden Säulen der öffentlichen Meinungsbildung entwickelt. Ihre algorithmisch gesteuerte Auswahl und Platzierung von Inhalten prägt massgeblich, was Nutzerinnen und Nutzer sehen. Der Bundesrat stellt fest, dass die bisherige Regulierung dieser zentralen Akteure unzureichend ist, insbesondere wenn es um Fragen der Fairness, Transparenz und Rechtsdurchsetzung geht. Die betroffenen Dienste operieren weitgehend nach eigenen Regeln, ohne klare gesetzliche Vorgaben zur Moderation von Inhalten, zur Kennzeichnung von Werbung oder zur Nachvollziehbarkeit algorithmischer Steuerungsmechanismen.

Zwar gilt seit dem 1. September 2023 das revidierte Datenschutzgesetz (DSG), das die Verarbeitung von Personendaten umfassend regelt. Doch eine spezifische gesetzliche Grundlage, die sehr grosse digitale Plattformen und Suchmaschinen in ihrer Funktion als kommunikative Infrastrukturen adressiert, fehlt bislang. Das neue Gesetz über Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen soll diese Lücke schliessen. Ziel ist es, die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer im digitalen Raum zu stärken, die Transparenz algorithmischer Systeme zu erhöhen und eine wirksame Aufsicht über besonders einflussreiche Anbieter zu ermöglichen.

Gesetzlicher Rahmen und zentrale Bestimmungen

Das Gesetz richtet sich an sehr grosse Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen – konkret an Dienste, die monatlich durchschnittlich von mindestens zehn Prozent der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz genutzt werden, was derzeit etwa 900 000 Nutzerinnen und Nutzern entspricht. Damit soll gezielt jene Gruppe von Anbietern reguliert werden, die durch ihre Reichweite eine zentrale Rolle im digitalen Informationsraum einnehmen.

Zentrales Anliegen ist die Einführung transparenter Verfahren zur Meldung und Prüfung mutmasslich rechtswidriger Inhalte. Nutzerinnen und Nutzer sollen unkompliziert Inhalte melden können, die etwa den Tatbestand der Verleumdung (Art. 174 StGB), der Beschimpfung (Art. 177 StGB) oder des Aufrufs zu Hass (Art. 261bis StGB) erfüllen. Plattformen müssen nicht nur diese Meldungen bearbeiten, sondern auch betroffene Personen über getroffene Massnahmen informieren und diese begründen. Ein internes Beschwerdesystem und die Mitwirkung an aussergerichtlicher Streitbeilegung sind ebenfalls vorgesehen.

Zusätzlich enthält der Gesetzesentwurf Anforderungen an die Kennzeichnung und Archivierung digitaler Werbung. Werbung muss eindeutig als solche erkennbar sein, und die Plattformen haben ein öffentlich zugängliches Werbearchiv zu führen. Auch Empfehlungssysteme und die Kriterien, nach denen Inhalte algorithmisch ausgespielt werden, sollen transparenter gemacht werden. Dienste mit Sitz im Ausland müssen eine Rechtsvertretung in der Schweiz benennen, um sicherzustellen, dass rechtliche Vorgaben durchgesetzt werden können.

Das Gesetz ist eng mit dem bestehenden Datenschutzrecht verzahnt. Plattformbetreiber, die Personendaten bearbeiten, etwa zur personalisierten Ausspielung von Werbung oder Empfehlungen, müssen sicherstellen, dass diese Vorgänge auch den Vorgaben des DSG entsprechen. Dazu gehören insbesondere Transparenzpflichten, Informationsrechte der betroffenen Personen sowie – sofern anwendbar – Regelungen zum Datenexport.

Schliesslich berührt das Gesetz auch Fragen des Urheberrechts: Die Pflicht zur Einrichtung eines Meldeverfahrens umfasst auch Verstösse gegen das Urheberrecht, etwa bei unzulässigen Uploads geschützter Werke. Plattformen müssen ihre Verfahren entsprechend abstimmen.

Analyse und Bewertung der Regelungsansätze

Der Gesetzesentwurf folgt einem differenzierten Ansatz: Reguliert werden nur besonders reichweitenstarke Dienste, deren Einfluss auf den öffentlichen Diskurs als systemisch einzustufen ist. Damit wird keine allgemeine Plattformregulierung eingeführt, sondern eine gezielte, risikobasierte Regulierung. Dieser Fokus erhöht die Verhältnismässigkeit des Eingriffs.

Im Zentrum steht nicht eine Kontrolle von Inhalten, sondern die Verbesserung von Verfahren zur inhaltlichen Kontrolle durch Plattformen selbst. Das Gesetz verpflichtet die Anbieter, nachvollziehbare Regeln zu schaffen und diese transparent umzusetzen. Meinungs- und Informationsfreiheit bleiben damit gewahrt. Die Verknüpfung mit dem revidierten Datenschutzgesetz sorgt für kohärente Vorgaben, insbesondere im Hinblick auf personalisierte Systeme, die Nutzerdaten nutzen. Die Pflicht zur Rechtsvertretung in der Schweiz erhöht die Durchsetzbarkeit gegenüber global tätigen Unternehmen erheblich.

Praktische Auswirkungen für Beteiligte

Plattformbetreiber müssen mit beträchtlichem organisatorischem und technischem Aufwand rechnen. Interne Prozesse zur Bearbeitung von Meldungen und Beschwerden müssen aufgebaut, dokumentiert und regelmässig überprüft werden.

Unternehmen im digitalen Werbe- und Kommunikationsmarkt profitieren zwar von einem klareren regulatorischen Rahmen, stehen jedoch ebenfalls vor Anpassungsbedarf. Zielgruppenansprache, Tracking-Technologien und Werbesysteme müssen auf ihre Vereinbarkeit mit Transparenz- und Datenschutzpflichten geprüft werden. Nutzerinnen und Nutzer erhalten mehr Kontrolle über Inhalte, denen sie ausgesetzt sind, sowie über Entscheidungen der Plattformen. Das kann das Vertrauen in digitale Dienste stärken. Behörden und Forschungseinrichtungen schliesslich können auf eine erweiterte Datengrundlage zugreifen, was die Analyse der Auswirkungen digitaler Plattformen auf gesellschaftliche Prozesse erleichtert.

Plattformen als Akteure im Journalismus

Im Kontext der Plattformregulierung stellt sich zunehmend die Frage, welche Rolle Dienste wie Google, Facebook oder X im Medienökosystem spielen. Sie fungieren längst nicht mehr nur als technische Verteiler, sondern beeinflussen durch algorithmische Selektion, Reichweitenpriorisierung und Monetarisierungsmuster auch Inhalte und Sichtbarkeit journalistischer Beiträge. Damit verschieben sich die Machtverhältnisse im digitalen Journalismus zulasten klassischer Medienakteure.

Gerade im Zusammenhang mit generativen KI-Systemen und automatisierter Inhaltsproduktion gewinnt das Thema zusätzliche Brisanz: Wer trägt die urheberrechtliche Verantwortung, wenn KI-generierte Inhalte auf Plattformen erscheinen oder journalistische Inhalte ungefragt verarbeitet werden? Und wie schützt das Recht die Integrität journalistischer Arbeit im digitalen Raum? Unsere Ausführungen dazu finden Sie im Artikel über KI, Urheberrecht und Journalismus in der Schweiz.

Leistungsschutzrecht und Plattformverantwortung

Mit der geplanten Regulierung besonders grosser Plattformen stellt sich auch die Frage, wie das Verhältnis zwischen Plattformbetreibern und journalistischen Inhalten ausgestaltet werden soll. Plattformen profitieren wirtschaftlich von Snippets, Vorschaubildern und Headlines – also kurzen Auszügen aus redaktionellen Beiträgen –, ohne dafür zwangsläufig eine Gegenleistung zu erbringen. In der EU wurde diese Problematik im Rahmen des Leistungsschutzrechts adressiert. Auch in der Schweiz gibt es dazu intensive Diskussionen.

Ein umfassender Ordnungsrahmen für Plattformen muss daher nicht nur Fragen der Moderation und Transparenz regeln, sondern auch den wirtschaftlichen Ausgleich zwischen Plattformen und Medienhäusern in den Blick nehmen. Dies betrifft sowohl das Wettbewerbsrecht als auch urheberrechtlich geschützte Leistungselemente. Nähere Ausführungen dazu finden sie in unserem Artikel: Leistungsschutzrecht für Medienunternehmen: Vergütung für Online-Snippets in der Schweiz geplant.

Datenschutzrechtliche Fragen

Auch wenn das neue Plattformgesetz keine reine Datenschutzregulierung darstellt, sind die Schnittstellen zum Datenschutzrecht zentral. Die Plattformen bearbeiten regelmässig grosse Mengen von Personendaten , etwa zur Profilbildung, zur zielgerichteten Ausspielung von Werbung oder zur Personalisierung von Empfehlungssystemen. Der Gesetzesentwurf verlangt von diesen Diensten, dass sie algorithmische Systeme offenlegen und nachvollziehbar machen, um diskriminierende oder intransparente Strukturen zu verhindern. Die Anforderungen des revidierten Datenschutzgesetzes (DSG), insbesondere in Bezug auf Transparenz, Auskunft, Berichtigung und Löschung, gelten uneingeschränkt auch für sehr grosse Plattformen. Darüber hinaus bestehen spezifische Pflichten bei der Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten und beim allfälligen Export von Daten ins Ausland. Plattformen, die personenbezogene Daten für Werbung oder algorithmische Steuerung einsetzen, sind verpflichtet, ihre Systeme und Prozesse so zu gestalten, dass sie den Grundsätzen von Rechtmässigkeit, Zweckbindung, Verhältnismässigkeit und Informationspflicht genügen.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Plattformbetreiber sollten frühzeitig eine integrierte Compliance-Strategie entwickeln, die alle betroffenen Bereiche erfasst. Interne Dokumentationen, Kommunikationsrichtlinien und technische Systeme sind auf ihre Vereinbarkeit mit dem neuen Gesetz zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Auch die Bestellung einer Rechtsvertretung in der Schweiz sollte vorbereitet werden, sofern der Sitz des Unternehmens im Ausland liegt.

Unternehmen im digitalen Werbeumfeld sind gut beraten, ihre Ausspielmechanismen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu gestalten. Rechts- und Unternehmensberater sollten ihre Mandanten frühzeitig informieren und konkrete Umsetzungsschritte begleiten. Für Nutzerinnen und Nutzer bietet das neue Gesetz verbesserte Möglichkeiten zur Wahrnehmung ihrer Rechte – etwa über Melde- und Beschwerdeverfahren. Es empfiehlt sich, diese aktiv zu nutzen und ihre Funktionsweise zu beobachten, um Missbrauch und Intransparenz künftig besser adressieren zu können.

Fazit und Ausblick

Das Gesetz über Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen markiert einen wichtigen Schritt in der Weiterentwicklung der digitalen Regulierung in der Schweiz. Es ergänzt das revidierte Datenschutzgesetz um klare Verfahrens- und Transparenzpflichten für besonders einflussreiche Dienste. Nutzerinnen und Nutzer erhalten verbindliche Rechte – von der Meldung problematischer Inhalte über interne Beschwerdemechanismen bis hin zur Information über Moderationsentscheidungen. Gleichzeitig werden Plattformen verpflichtet, ihre algorithmischen Systeme nachvollziehbar zu gestalten und gesetzlich verankerte Pflichten einzuhalten.

Für die konkrete Umsetzung bleiben wichtige Fragen offen: Wie weit reichen die Transparenzpflichten? Welche Sanktionen sind bei Verstössen vorgesehen? Wie effektiv wird die Rechtsvertretungspflicht ausgestaltet? Auch die Verbindung zu bestehenden Regelungen im Jugend- und Verbraucherschutz, im Urheberrecht sowie im Medienrecht wird weiter zu klären sein. Angesichts internationaler Entwicklungen – insbesondere des EU Digital Services Act – sollte die Schweiz ihre Regulierungsstrategie fortlaufend evaluieren und bei Bedarf anpassen.

Für Unternehmen, Plattformen und beratende Berufe gilt: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um Weichen zu stellen. Wer rechtzeitig handelt, kann nicht nur Risiken minimieren, sondern auch einen Beitrag zur Etablierung einer fairen und transparenten digitalen Kommunikationsinfrastruktur leisten.

 

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