Uneinheitliche Fristenregelung als Ausgangspunkt der Reform
Die Fristenberechnung bei Zustellung von Postsendungen führt in der Praxis oftmals zu Problemen, da einheitliche Regulierung auf Bundesebene bislang fehlen. Vor allem fristauslösende Zustellungen (z.B. Kündigungen) am Wochenende können zu Unsicherheiten führen, da diese den Fristenlauf sofort auslösen. So kann die Samstagszustellung für Empfänger nachteilig sein, wenn sie am Samstag (büro-)abwesend sind und folglich den Einwurf einer fristsetzenden behördlichen Mitteilung nicht sogleich bemerken. Nach bislang geltendem Recht beginnt eine nach Tagen bestimmte Frist, unabhängig von der tatsächlichen Kenntnisnahme, am Tag nach dem auslösenden Ereignis (Zustellung), also am Sonntag. Ein Empfänger, der die Mitteilung verspätet aus dem Briefkasten nimmt (z. B. am folgenden Montag), verliert damit die entsprechende Anzahl Tage der Frist. Zudem kann die empfangende Person sich über den Zeitpunkt der Zustellung irren (Montag anstatt Samstag), da dieser nicht auf der Sendung selbst ablesbar ist. Berechnet sie in der Folge ein zu spätes Fristende, läuft sie Gefahr, säumig zu werden und damit einen Rechtsverlust zu erleiden.
Anlässlich der Revision der Zivilprozessordnung wurde dieses Problem für Zivilprozesse entschärft: Art. 142 Abs. 1bis legt fest, dass Zustellungen, welche an Samstagen, Sonntagen oder Feiertagen erfolgen, erst am nächsten Werktag als zugestellt gelten (mehr zu der Revision der ZPO lesen Sie in unserem Beitrag hier). Diese Zustellungsfiktion soll nun nach einem Entscheid des Bundesrates im gesamten Bundesrecht gelten. Er kommt damit einem Begehren der Motion 22.3381 „Harmonisierung der Fristenberechnung“ nach. Die Vernehmlassungsergebnisse wurden durch den Bundesrat zur Kenntnis genommen und die entsprechende Botschaft verabschiedet.
Gesetzesrevision: Ausweitung auf verschiedene Rechtsbereiche
Konkret betreffen die Revisionen vorerst nur das Verwaltungsverfahrensgesetz (SR 172.021, VwVG), das Bundesgerichtsgesetz (SR 173.110, BGG), das Militärstrafgesetz (SR 321.0, MStG), der Militärstrafprozess (SR 322.1, MStP), das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (SR 642.11, DBG) und das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (SR 830.1, ATSG). Zusätzlich soll die neue Regel im Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen (SR 173.110.3) aufgenommen werden, um Lücken im Bundesrecht zu vermeiden. Dies betrifft insbesondere Fristen des materiellen Privatrechts, sowie Fristen des materiellen Strafrechts, etwa bei der Zustellung eines Strafantrags. Die Rückmeldungen zu der Vernehmlassung veranlassten den Bund das Steuerharmonisierungsgesetz (SR 642.14, StHG) auch in die Vorlage einzubeziehen. Damit soll eine einheitliche Regelung für die Zustellung von Steuersachen an Wochenenden und Feiertagen auf Bundes- und kantonaler Ebene erzielt werden.
Die Vorlage beschränkt sich auf Anpassungen von Bestimmungen über die Berechnung von Fristen des Bundesrechts. Sie berührt damit einzig Bundesrecht und greift nicht in die Kompetenzbereiche der Kantone und Gemeinden ein. Auf kantonaler Ebene (Appenzell Innerrhoden, Genf und Waadt) laufen jedoch bereits verschiedene gesetzgeberische Anpassungen, um einen einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Verwaltung
Die Anpassungen bewirken, dass für die Zustellung von Mitteilungen an Wochenenden oder Feiertagen auf Ebene Bund einheitliche Regeln gelten. Die Sonderordnung, welche mit der Einführung von Artikel 142 Absatz 1bis ZPO für Zivilprozesse geschaffen wurde, wird damit zu einer allgemeinen Regelung. Die Schweiz harmonisiert ihre Fristenberechnung damit auch im europäischen Kontext, da insbesondere die Nachbarländer bereits solche Regelungen kennen. Unternehmen und deren Rechtsabteilungen sollten ihre Fristenüberwachungssysteme an die neue Regelung anpassen, um Fristversäumnisse zu vermeiden. Es empfiehlt sich, Mitarbeitende in den betroffenen Abteilungen über die Änderungen zu informieren und in der Anwendung der neuen Fristenregelung zu schulen. Als genereller Grundsatz gilt, dass Fristen nicht bis zum letzten Tag ausgereizt werden sollten.
Quellen
- Medienmitteilung des Bundesrates vom 12. Februar 2025
- Botschaft zum Bundesgesetz über die Zustellung von Sendungen an Wochenenden und Feiertagen vom 12. Februar 2025
- Zivilprozessordnung