Wenn Unternehmen algorithmische Systeme oder Künstliche Intelligenz einsetzen, sind Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen oft unmittelbar betroffen. Die zunehmende Bedeutung dieser Entwicklungen hat auch dazu geführt, dass sich der Bundesrat aufgrund parlamentarischer Vorstösse zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) am Arbeitsplatz und zu möglichen Gesetzeslücken äussern musste.
Der Umgang mit Künstlicher Intelligenz sorgt für Diskussionsstoff im Parlament.
Ende des letzten Jahres wendeten sich Parlamentsmitglieder mit Vorstössen zu künstlicher Intelligenz am Arbeitsplatz, an den Bundesrat. Nationalrat Niklaus-Samuel Gugger verlangte mit der Interpellation 23.4517 „Künstliche Intelligenz und Mitwirkung. Gibt es Lücken im Gesetz?“ Auskunft zur aktuellen Rechtslage. Nationalrätin Barbara Gysin beauftragte den Bundesrat mit der Motion 23.4492 „Künstliche Intelligenz am Arbeitsplatz. Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmenden stärken“ mit der Stärkung der Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmenden beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und algorithmischen Systemen am Arbeitsplatz auf gesetzlicher Ebene. Nun liegen die Stellungnahmen des Bundesrates zu den beiden Vorstössen vor.
Hintergrund
In den beiden Vorstössen wird vorgebracht, dass der bestehende Schutz in Zusammenhang mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als lückenhaft angesehen wird. Gerade wenn Unternehmen algorithmische Systeme verwenden, um Prognosen, Empfehlungen, Entscheidungen oder ähnliches zu finden, sollte der gesetzliche Schutz der Rechte der Arbeitnehmenden gestärkt werden. Dies könnte durch die Implementierung von Mitwirkungsrechten erfolgen, aber auch ein erweitertes Informationsrecht oder ein kollektives Klagerecht der Arbeitnehmenden sind denkbar. Um eine effektive Durchsetzung sicherzustellen, wurde der Bundesrat auch beauftragt, mögliche Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen zu prüfen.
Hintergrund der beiden Vorstösse ist, das vermehrt Arbeitnehmende um ihre Arbeitsstelle fürchten. Zudem herrscht grosse Unsicherheit, wie diese Technologien konkret eingesetzt werden und welche Daten dabei genutzt werden. Diese Unsicherheit wird grösstenteils auf eine auf eine fehlende Transparenz der Unternehmen zurückgeführt. Als Lösung dieses Problems sieht die Nationalrätin Barbara Gysin deshalb ein gesetzlich verankertes kollektives Mitsprache- und Klagerecht der Arbeitnehmenden.
Stellungnahmen des Bundesrates
In seinen Stellungnahmen vom 14. Februar 2024 betont der Bundesrat, dass künstliche Intelligenz sich nicht im rechtsfreien Raum entwickle.
Der Bundesrat stellt fest, dass verschiedene bestehende gesetzliche Regelungen auch die Rechte der Mitarbeiter in Bezug auf künstliche Intelligenz am Arbeitsplatz abdecken.
- Im Mitwirkungsgesetz ist ein allgemeines Informationsrecht von Mitarbeitenden vorgesehen. Demzufolge haben sie Anspruch auf rechtzeitige und umfassende Information über alle Angelegenheiten, deren Kenntnis Voraussetzung für eine ordnungsgemässe Erfüllung ihrer Aufgabe ist ( 9 Abs. 1 Mitwirkungsgesetz).
- In allen Fragen des Gesundheitsschutzes steht gemäss Arbeitsgesetz den Mitarbeitenden ein Mitspracherecht zu, welches auch den Arbeitgeber zur Anhörung der Mitarbeitenden vor Entscheidungen anhält ( 48 Abs. 1 lit. a Arbeitsgesetz).
- In der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz werden der Einsatz von Überwachungs- und Kontrollsysteme, welches das Verhalten der Arbeitnehmenden überwacht, grundsätzlich verboten, solange sie nicht aus anderen Gründen erforderlich sind ( 26 Abs. 1 und 2 Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz).
- Das revidierte Datenschutzgesetz verankert eine Informationspflicht bei automatisierten Entscheidungen und hat die Option, eine Überprüfung einer natürlichen Person zu verlangen. Es wird auch eine Datenschutz-Folgeabschätzung verlangt, wenn die Bearbeitung ein hohes Risiko für die Persönlichkeit oder Grundrechte ergeben kann. Das kann sich auch aus der Verwendung von neuen Technologien wie beispielsweise künstliche Intelligenz ergeben (Datenschutzgesetz).
- Das Gleichstellungsgesetz verankert ein Diskriminierungsverbot in Arbeitsverhältnissen, welches auch für den Fall anwendbar ist, dass der Arbeitgeber künstliche Intelligenz einsetzt. Das Gleichstellungsgesetz gilt für privatrechtliche sowie öffentlich-rechtliche Anstellungsverhältnisse (Art 3 Gleichstellungsgesetz).
Auch mögliche Klagerechte sind punktuell in diesen einzelnen Gesetzen vorgesehen. Das Arbeitsgesetz sieht beispielsweise für die Einhaltung der Bestimmungen ein kantonales Arbeitsinspektorat vor und strafrechtliche Sanktionen für Widerhandlungen. Für den Fall, dass gegen das Mitwirkungsgesetz verstossen wird, steht den Arbeitnehmenden die Möglichkeit auf Feststellungsklage zu. Auch das DSG sieht eine Untersuchung von Amtes wegen oder auf Anzeige hin vor, wenn Anzeichen einer Widerhandlung gegen das DSG bestehen.
In parlamentarischer Beratung befindet sich zurzeit die Botschaft des Bundesrates vom 10. Dezember 2021 zur Stärkung der Verbandsklagen und kollektiver Vergleiche in der schweizerischen Zivilprozessordnung.
Ausblick und Fazit
Der Bundesrat wird weiterhin die Entwicklungen im Bereich KI aufmerksam verfolgen müssen. Am 22. November 2023 wurde eine Untersuchung möglicher Regulierungsansätze für den Einsatz von künstlicher Intelligenz in Auftrag gegeben. Im Rahmen dieser Untersuchung soll der spezifische Regulierungsbedarf in verschiedenen Sektoren identifiziert werden. Das Ergebnis wird voraussichtlich Ende 2024 vorliegen. Basierend darauf möchte der Bundesrat dann etwaige Lücken im Bereich KI am Arbeitsplatz auf gesetzlicher Ebene schliessen.
- Quellen (Links [als Hyperlink in Textform], Zitation von Büchern)
- Motion 23.4492 „Künstliche Intelligenz am Arbeitsplatz. Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmenden stärken“
- Interpellation 23.4517 „Künstliche Intelligenz und Mitwirkung. Gibt es Lücken im Gesetz?“
- 9 Abs. 1 Mitwirkungsgesetz
- 48 Abs. 1 lit. a Arbeitsgesetz
- 26 Abs. 1 und 2 Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz
- Datenschutzgesetz
- Art 3 Gleichstellungsgesetz