Nach der Veröffentlichung der EU-Erklärung zu digitalen Rechten und Grundsätzen im Januar 2023 folgt nun auch schon die erste Untersuchung zur Implementierung der Erklärung in den Mitgliedsstaaten: Was sind die Stärken der Erklärung? Wo liegen die Herausforderungen? Wie geht es weiter?
Die neu veröffentlichte Studie der Europäischen Kommission untersucht, wie die EU-Mitgliedsstaaten die Europäische Erklärung zu digitalen Rechten und Grundsätzen bisher implementiert haben. Die Studie gibt dabei eine Übersicht über die Fortschritte aller Mitgliedstaaten der EU bezüglich ihrer aus der Erklärung erwachsenen Verpflichtungen, zeigt aber auch auf, welche Lücken bestehen und gibt Empfehlungen für Verbesserungsmöglichkeiten der Mitgliedsstaaten ab. Ziele der EU-Erklärung sind die Förderung der digitalen Bildung und Kompetenzen, die Digitalisierung öffentlicher Dienste, der Schutz von Kindern und Jugendlichen im digitalen Umfeld, sowie Förderung von nachhaltigen Technologien und die Gewährleistung einer fairen digitalen Domäne.
Lücken und Herausforderungen
Einer Studie aus dem Jahre 2023 zufolge ist die Hälfte der EU-Bevölkerung der Meinung, dass ihre digitalen Rechte nicht gut geschützt sind. Zudem ist sich 38% der Population nicht bewusst, dass sie im digitalen Raum die gleichen Rechte wie in der analogen Umgebung haben. Verschiedene Interessensgruppen haben laut der Studie auch zu verstehen gegeben, dass die Verpflichtungen der Erklärung in den Mitgliedsstaaten nicht genügend umgesetzt werden.
Viele Mitgliedsstaaten sind im Bereich der sozialen Integration aktiv geworden und haben diese Verpflichtung in ihre nationalen digitalen Strategien aufgenommen. Die Wahrnehmung der Interessensgruppen ist allerdings gemischt: Einige geben an, signifikante Schritte ihrer nationalen Regierung wahrgenommen zu haben, während andere angeben, sich keiner derartigen Schritte bewusst zu sein. Diese Beobachtung wird durch die Studie gestützt: Mitgliedsstaaten haben sich darauf fokussiert, einen strategischen Rahmen zu schaffen. Allerdings ist dabei nicht immer klar, wie diese Ziele dann auch umgesetzt werden sollen.
In Bezug auf den Schutz der Grundrechte bemühen sich die Mitgliedsstaaten die Bevölkerung vor allem durch Bildung zu stärken, während die Unterstützung für Unternehmen, welche digitale Lösungen entwickeln, wohl eher begrenzt ausfällt. Dies wäre potenziell ein Gebiet, in dem die Umsetzung der Erklärung verbessert werden kann.
Im Bereich der Digitalisierung öffentlicher Dienste zeigen neue Untersuchungen, dass ein Grossteil der europäischen Bevölkerung diese schon nutzen kann. 78% des europäischen Volks hat Zugang zu sicheren elektronischen Identifikationsdienstleistungen, während 77% Zugang zu anderen öffentlichen Diensten online hat. Diese Entwicklung, wohlgleich schon zuvor stetig wachsend, wurde durch Covid-19 nur noch vorangetrieben. Die Problematik in diesem Bereich besteht darin, dass die Interoperabilität zwischen den verschiedenen eID-Systemen nicht garantiert werden kann.
Während sich ein Grossteil der europäischen Allgemeinheit zwar der Sicherheitsrisiken im digitalen Raum bewusst ist – was möglicherweise ein Erfolg verschiedener Sensibilisierungskampagnen ist – ist ein signifikanter Teil der Bevölkerung trotzdem aufgrund ihrer Onlinesicherheit beunruhigt. So machen sich 46% der europäischen Gesellschaft Sorgen um den Umgang mit ihren persönlichen Daten und 41% der Bevölkerung tritt der Sicherheit von Online-Zahlungsdiensten argwöhnisch gegenüber.
Um die digitale Sphäre für Kinder und Jugendliche sicherer zu gestalten, haben die Mitgliedsstaaten etliche Massnahmen ergriffen. Vielfach sind dies Programme, die versuchen, Kindern Medienkompetenzen zu vermitteln oder Kampagnen, die probieren, bezüglich Risiken online zu sensibilisieren. Trotz des signifikanten Efforts der EU-Mitglieder in diesem Bereich, empfinden 43% des europäischen Volkes Kinder und Jugendliche in der digitalen Sphäre als zu wenig geschützt.
Im Bereich der Kommunikation lässt das Verhalten der Mitgliedsstaaten zu wünschen übrig. Wenige haben aktiv über die Erklärung zu den digitalen Rechten und Grundsätzen kommuniziert und noch weniger haben aktiv mit den Interessensgruppen den Austausch bezüglich der Implementierung gesucht. Wohl deshalb hat die Studie festgestellt, dass 70% der Befragten die EU-Erklärung zwar kennen, Informationen aber über die Kanäle der EU und nicht über diejenigen ihrer nationalen Regierungen beziehen.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Die Studie hält fest, dass in den Mitgliedstaaten vor allem Initiativen zur Förderung von digitaler Bildung und Kompetenzen, Initiativen zur Digitalisierung öffentlicher Dienste und solche zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in der digitalen Umgebung ergangen sind. Viele Mitgliedsstaaten haben einen regulatorischen Rahmen für die digitalen Rechte erarbeitet, welcher – gleich wie die EU-Erklärung – in Form von soft law daherkommt.
Verschiedene Verpflichtungen, die aus der Erklärung der digitalen Rechte und Grundsätze erwachsen, sind schwierig zu überwachen. So etwa die Verpflichtungen im Bereich der Meinungsäusserungsfreiheit, Schutz vor Online-Schäden und das Erzielen einer Work-Life-Balance.
Im Bereich digitaler Bildung und Förderung von Kompetenzen haben verschiedene Initiativen und Programme, zum Teil auch von Bürgerrechtsorganisationen durchgeführt, grosse Fortschritte darin gemacht, anfälligere Bevölkerungsgruppen über die Risiken des digitalen Bereichs aufzuklären und den sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit Online-Ressourcen zu fördern.
Basierend auf den Ergebnissen der Studie, gibt die Kommission vier Empfehlungen für die Implementierung und Durchsetzung der Erklärung zu den digitalen Rechten und Grundsätzen ab.
- Weiterhin sollen Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission das Bewusstsein sowie die Partizipation bei der Umsetzung der Erklärung fördern, indem beispielsweise die Mitgliedsstaaten ein Forum für Interessengruppen kreieren, in welchem diese ihre Rückmeldungen äussern können;
- Die EU-Mitgliedsstaaten sollen nationale Programme ausarbeiten, in welchen Ungleichheiten bekämpft Ein spezieller Fokus soll dabei auf verschiedene Randgruppen gelegt werden, die ansonsten drohen in der Digitalisierung zurückzubleiben, wie ältere Personen oder Personen aus ländlicher Umgebung;
- Die Mitgliedsstaaten sollen aus den verschiedenen nationalen Initiativen, Vorgehensweisen und Praxen der anderen Mitglieder lernen;
- Es soll einen Rahmen geschaffen werden, der es ermöglicht, die Implementierung der Erklärung der digitalen Rechte und Grundsätze zu messen.
Die Unterstützungsstudie weist darauf hin, dass nur sehr wenig Zeit zwischen der Publikation der Erklärung zu den digitalen Rechten und Grundsätzen im Januar 2023 und der Erhebung der Daten, die dieser Studie zugrunde liegen, verstrichen ist. Die vorliegende Untersuchung durch die EU-Kommission kann deshalb noch keine Schlussfolgerungen über den Effekt der Erklärung liefern, soll aber als Basis dienen, mit welcher künftiger Fortschritt gemessen werden kann.
QUELLEN