Direkt zum Inhalt wechseln
Prof. Dr. Matthias Schrappe ist Internist und Infektiologe und verfolgt die Corona-Krise ebenso intensiv wie kritisch. Er ist der Kopf einer Expertengruppe, die seit April 2020 mehrere äußerst lesenswerte Thesenpapiere erarbeitet hat (zu finden auf der Website www.corona-netzwerk.info).

Im Gespräch mit Niko Härting geht es um den Vergleich mit vergangenen Epidemien und Krisen und die hieraus gewonnenen Erkenntnisse. Prof. Dr. Schrappe geht hart mit der misslungenen Corona-Politik ins Gericht und kritisiert vor allem die Daten- und Erkenntnisarmut im Vergleich mit der HIV-Krise der 1980er Jahre: „Man muss gute Konzepte im Kopf haben, und die haben uns von Anfang an völlig gefehlt“. Als früherer Leiter der Arbeitsgruppe HIV-Infektionen an der Universität Köln (1987-1995) vermisst er die Kreativität und Erkenntnisgewinnung, die bei der Bekämpfung der HIV-Krise zum Tragen kam. Eine vergleichbare Situation könne er bei der Corona-Epidemie nicht erkennen.

Zudem habe es insbesondere im vergangenen Winter in den Pflegeheimen etliche vermeidbaren Corona-Todesfälle als Folge der durchweg paternalistisch geführten Corona-Politik; man habe an die falschen Konzepte geglaubt und die falschen Leute befragt. Schrappe macht sich, wie auch schon zuvor in seinen mittlerweile acht veröffentlichen Thesenpapieren, für die Nutzung von Indikatorensets statt eines einzigen Parameters stark. Die angekündigte Abkehr der 7-Tages-Inzidenz begrüßt er, allerdings sei es unsinnig, einen Parameter durch einen anderen einzelnen Parameter (Krankenhausbelegung) zu ersetzen. Es bleibe zudem festzuhalten, dass jede große Epidemie gesellschaftliche Prozesse reflektiert, verstärkt, aber auch unterdrückt und daher nicht nur als biologisches, sondern auch als gesellschaftliches Phänomen wahrgenommen werden muss.

Jetzt das Buch zum Podcast bestellen!