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Ist ESG der neue Datenschutz in Verträgen? Zu den ESG- Reportingpflichten in der EU und Schweiz und vom Anpassungsbedarf für Lieferantenverträge.

Aus der EU kommen stetig neue Gesetzes(teile), die den Unternehmen die Pflicht zur Berichterstattung über Umwelt- und soziale Belange auferlegen. Dabei muss die Berichterstattung auf Basis belastbarer Grössen erfolgen, damit die Aussagen der Unternehmen in diesem Bereich vergleichbar und verlässlich sind; nicht zuletzt auch, um ein Schönfärben der eigenen Unternehmenstätigkeit und –Angebote zu verhindern. Dazu kommen nationale spezifische Gesetze, die ebenfalls Berichterstattungspflichten vorsehen, wie beispielsweise in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (sehen Sie dazu unseren ausführlichen Beitrag hier), und in der Schweiz, worauf wir in diesem Bericht genauer eingehen werden.

Das Reporting erstreckt sich dabei regelmässig auf das gesamte Unternehmen, inklusive nicht EU-ansässiger Gesellschaften und, das ist die Herausforderung in Sachen Datengrundlage, bezieht die Lieferkette mit ein. Das führt zu einem Anpassungsbedarf in Verträgen, denn die spezifischen Berichterstattungspflichten können ja nicht erfüllt werden, wenn einem Unternehmen die Zahlen dazu fehlen. Nun ist es aber angesichts der spezifischen Gesetzesanforderungen nicht mehr möglich, den Zulieferern allgemeine Sorgfaltspflichten zu überbinden. Oder einen allgemein gehaltenen Code of Conduct weiter zu geben und sich dann darauf zu einigen, dass jeder seinen eigenen erfüllt, weil sie sich im Grunde gleichen.

Wenn ein Unternehmen spezifischen gesetzlichen Anforderungen von ESG-Reportingpflichten unterliegt, muss es diesen im Detail nachkommen; selbstredend gilt dies dann auch für die Lieferanten. Im Grunde ist dieser Ansatz auch nichts Neues – wir kennen das aus dem Datenschutz. Mit der DSGVO kamen neue Anforderungen auf Unternehmen zu, die sich auf einmal vertraglich absichern mussten, dass der Zulieferer (Auftragsverarbeiter) ganz spezielle Pflichten einhält – Zweckbindung, zeitkritische Grenzen für die Meldung von Datenschutzverletzungen, Sicherstellung durch den Verantwortlichen, dass die Daten auch verarbeitet werden dürfen etc.

Was die ESG-Reportingpflichten betrifft, ist es das Gleiche, nur mit neuen Begrifflichkeiten: Der Zulieferer muss auf ganz konkrete gesetzliche Vorgaben verpflichtet werden. Wie das erfolgen kann, dazu haben wir am Ende dieses Beitrags ganz konkrete Vorschläge formuliert. Im Folgenden geben wir Ihnen aber erstmal einen Überblick über die europäische Grosswetterlage in Sachen ESG, umreissen dann die Schweizer Gesetzeslage und geben Ihnen dann einen Eindruck davon, wie man diese Pflichten vertraglich umsetzen kann.

1. Einleitung: EU – Hintergrund

Mit dem «Green Deal» hat die EU 2019 eine Reduktion der CO2 Emissionen um 55% bis 2030 und Kilmaneutralität bis 2050 beschlossen. Dabei soll die Neuausrichtung der Kapitalströme helfen, welche in nachhaltigen Wachstum und solche Wirtschaftsaktivitäten gelenkt werden sollen. Und auch die Schweiz hat sich mit der Ratifikation des Pariser Klimaabkommens zu einer Reduktion der Treibhausgase bis 2030 um 50% gegenüber 1990 verpflichtet. Dazu werden auf EU-Ebene sowie national Gesetze mit neuen Berichterstattungspflichten zum Thema ESG (Environmental, Social and Governance) erlassen.

Ziel ist es, Reporting zu standardisieren, belastbare und vergleichbare Zahlen zu schaffen und diese verfügbar zu machen und damit „Greenwashing“[1], also das Vorspielen von Umweltfreundlichkeit zu verhindern. Während momentan der Fokus auf dem Thema Klima und Nachhaltigkeit liegt, sollen perspektivisch alle ESG-Faktoren von den Berichterstattungspflichten erfasst sein.

Dazu sollen sowohl Unternehmen aus der Finanzwirtschaft als auch aus der Industrie diesen Pflichten nachkommen. So erlegt die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) seit Januar 2022 EU-Finanzinstîtuten die Pflicht auf, Angaben über die Gewichtung von ESG-Faktoren bezüglich ihrer Produkte, aber auch in Bezug auf das Unternehmen selbst zu machen; und zwar ausgehend vom Unternehmen für Land & Leute, inkl. Supply Chain. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), in Kraft seit Januar 2023, ist das Gegenstück für die „Nicht-Finanzwelt“ und erlegt grossen und gelisteten Unternehmen sowie gelisteten KMUs[2] entsprechende Reportingpflichten auf.

Das verbindende Element, oder das „Tool“ zur Qualitätssicherung in Bezug auf die berichteten Zahlen ist die EU-Taxonomie. Sie stellt das Klassifizierungssystem auf, anhand dessen die Unternehmen dann ihre Tätigkeiten und deren Auswirkungen auf die Klima- / Umweltziele bewerten sollen.[3] Mittels delegierter Rechtsakte werden ganz konkrete Kriterien für die jeweiligen Industrien aufgestellt.[4]

Derzeit fokussiert sich die Berichterstattung noch auf Umweltaspekte, also das „E“ in ESG. Perspektivisch sollen aber auch gesellschaftliche und unternehmensbezogene Aspekte („S“ und „G“ in ESG) darüber abgebildet werden. Und momentan betreffen all diese Pflichten eher die grösseren Unternehmen, mittelfristig sollen aber auch kleinere Unternehmen davon erfasst werden.

Insgesamt sind also im Bereich ESG folgende Trends zu verzeichnen

  • Mit den Regularien sollen die Ziele des EU Green Deals / Pariser Klimaabkommens erreicht werden.
  • Wirtschaft über die Finanzen (Investoren und Anbieter von Finanzprodukten) zu Nachhaltigkeit «zwingen», indem:
  • Reporting standardisiert, Zahlen belastbar, vergleichbar und verfügbar gemacht werden.
  • Sowohl Unternehmen aus der Industrie als auch Finanzwirtschaft diesen Reportingpflichten nachkommen müssen.
  • Momentan liegt der Fokus auf Klima / Sustainability Reporting, perspektivisch ist das Ziel, alle ESG-Faktoren davon zu erfassen.
  • Diese Pflichten sind momentan auf «grosse» Unternehmen anwendbar, perspektivisch sollen aber auch kleinere / KMUs erfasst werden.
  • Unter dem Aspekt der Investitionslenkung sind kleinere Unternehmen bereits jetzt davon betroffen, wenn ihre grösseren Geldgeber Bericht erstatten müssen und diese Berichte die gesamte Lieferkette mit einbeziehen.

Dass die gesamte Lieferkette im Reporting abgebildet wird, ist auch insofern relevant, als zur Klimabilanz eines Unternehmens regelmässig alle Emissionen gehören (Scope 1 bis 3 – siehe dazu unseren Beitrag: ESG & DATA – the new license to operate versus the duty to share), so fordern es seit Januar 2023 auch die Standards für Klimaberichterstattung unter der SFDR, wovon auch die Scope – 3 Emissionen eines Unternehmens erfasst sein müssen.

Und auch für die Schweiz heisst es seit dem 1. Januar 2023 Berichterstattung in Sachen ESG ist unabdingbar, anderenfalls winken Sanktionen:

2. Schweizer ESG-Berichterstattungspflichten

Als Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative (KVI)[5] hat der Schweizer Bundesrat die Verordnung zur Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange erlassen.  erlassen. Sie trat am 1. Januar 2023 in Kraft und wird durch der Einführung der Artikel 964a – 964c im Schweizerischen Obligationenrecht (OR) umgesetzt.[6] Die nichtfinanzielle Berichterstattung erstreckt sich auf die bekannten „ESG-Themenbereiche“ Umwelt / CO2-Ziele, Soziales, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung. Der zweite Bereich der Berichterstattung, die auf Basis der Verordnung erfolgen muss, betrifft spezifisch Rohstoffunternehmen und erlegt diesen Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten in den Bereichen „Konfliktmineralien“ und „Kinderarbeit“ auf; wie oben angedeutet erstrecken sich die Berichtspflichten hier auch auf die Wertschöpfungskette.

In der Schweiz richteten sich diese neuen Vorschriften an Publikumsgesellschaften und Unternehmen unter FINMA Aufsicht. Die Hauptkriterien sind dabei, dass die Unternehmen, zusammen mit von ihnen beherrschten ausländischen Unternehmen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren, mindestens 500 Mitarbeitende haben und eine Bilanzsumme von mindestens 20 Mio. Franken oder einen Umsatz von mind. 40 Mio. Franken ausweisen.[7]

Unternehmen welche in der Schweiz die Berichterstattung unterlassen oder sogar Falschangaben in den Berichten über nicht finanzielle Belange veröffentlichen, riskieren nach Art. 325ter Strafgesetz buch eine Busse von 100’000 CHF. Bei Fahrlässigkeit beträgt die Busse noch 50’000 CHF. Weit einschneidender können dabei jedoch die daraus resultierenden Reputationsschäden und Vertrauensverluste von Investoren und Konsumenten sein.

Der Bericht über die Umweltbelange erfolgt auf dem Weg der «double materiality». Dies bedeutet, dass die Unternehmen die Auswirkung Ihrer Tätigkeit auf die Umwelt und umgekehrt darlegen müssen. Des Weiteren umfasst der Bericht auch die im Ausland domizilierten Unternehmen einer Gesellschaft.

Die gesetzlichen Anforderungen an den Inhalt der Berichte lassen sich Art. 964 a Obligationenrecht entnehmen und gestalten sich detailliert: Bei den CO2 Zielen müssen die quantitativen und finanziellen Parameter offengelegt werden. Der quantitative Massstab fordert die Angabe sämtlicher Treibhausgasemissionen sowie die Berechnungsgrundlage die Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Die finanziellen Parameter umfassen dabei die gesamte ESG-Strategie, Konzepte, Massnahmen, Kennzahlen sowie die Ziele und die Risiken welche bei der Umsetzung der Ziele entstehen können.

Es kann auch ein anderer anerkannter Ansatz der Berichterstattung gewählt werden, die EU-spezifischen Möglichkeiten dazu haben wir ja bereits erläutert. Aber Achtung:. Wenn aber ein anderer Ansatz zur Berichterstattung Elemente, die auf Basis des Schweizer Gesetzes einzubeziehen wären, nicht abdeckt, muss ausgehend vom Grundsatz von «comply or explain» dargelegt werden, warum darüber (oder überhaupt nicht) Bericht erstattet wird. Dieser Ansatz soll Investoren und Konsumenten lenken und, wenn es an Glaubwürdigkeit fehlt, dazu führen, dass diese Unternehmen einen Marktnachteil haben.

Der Report ist jeweils elektronisch auf der Webseite zu veröffentlichen und mindestens 10 Jahre lang zugänglich sein. Auch wenn dieser im Zuge des Jahresberichts erfolgt, empfiehlt es sich angesichts der Strafrechtlichen Konsequenzen, jedoch einen separaten Bericht zu erstellen.

Und wie lässt sich das Ganze jetzt vertraglich so umsetzen, dass ein Unternehmen auch alle Informationen hat, die es auf Basis der spezifischen gesetzlichen Anforderungen zur Berichterstattung braucht? Wie im Datenschutz – mit konkreten vertraglichen Regelungen, angepasst auf die einschlägige Terminologie:

  • Konkrete Verantwortlichkeiten schaffen und Regelung der Berichterstattung im Detail.
  • Verpflichtung auf den (zutreffenden) gesetzlichen Reportingstandard, basierend auf EU / CH – Regularien (Produktangaben seitens der Zulieferer basierend auf Taxonomie Berechnungen und standardisierten Angaben der jeweiligen delegierten Rechtsakte).
  • zusätzlich etwaige branchenspezifische Regelungen wie Code of Conducts aufnehmen.
  • Vertragliche Zusicherung der unmittelbaren Zulieferer, dass ihrerseits sämtliche Unternehmensziele (wie zB Klimaziele) entsprechend eingehalten werden . beachte: wenn Ihr Unternehmensziel „net zero“ ist, müssen Ihre Zulieferer das auch sein).
  • Und zusätzlich: Unternehmensaussagen auf Website und in etwaigen Marketing-Materialien genau prüfen auf Klimaziele und ESG-Standards, die sich ein Unternehmen selbst auferlegt hat und sicherstellen, dass diese mit den gesetzlichen Anforderungen sowie der Unternehmensrealität übereinstimmen. Denn auch diese Quellen liegen in der Verantwortung und damit Haftung der Unternehmen.

Wir halten bereits konkrete Klauseln für Ihre Verträge bereit und unterstützen Sie gerne bei der vertraglichen Umsetzung Ihrer ESG-Pflichten.

 

 

 

 

[1] Definition EU: wenn Produkte oder Verfahren umweltfreundlicher erscheinen, als sie tatsächlich sind, via: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/qanda_23_1693

[2] Kleineren und Mittleren Unternehmen

[3] https://ec.europa.eu/sustainable-finance-taxonomy/tool/index_en.htm

[4] Der «EU Taxonomy Climate Delegated Act» vom 21. April 2021, anwendbar seit 1. Januar 2022 («EU Taxonomie Delegierter Rechtsakt Klima»), stellt Leistungskriterien auf, anhand derer für den darin erfassten Energie-Sektor bestimmt werden kann, welche Wirtschaftstätigkeiten einen wesentlichen Beitrag zu den Zielen des Grünen Deals leisten.

[5] Die Volksinitiative „Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt“1 (KVI) verlangte vom Bund, gesetzliche Vorgaben für die Wirtschaft zu erlassen. Schweizer Unternehmen hätten verpflichtet werden sollen, bei ihren Aktivitäten die Menschenrechte und den Umweltschutz auch im Ausland zu respektieren (https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/70879.pdf).

[6] Vgl. Medienmitteilung vom 18. August 2021 (Bundesrat legt Eckwerte zur verbindlichen Klimaberichterstattung für grosse Schweizer Unternehmen fest (admin.ch)) Den Rahmen der Berichterstattung setzen die Empfehlungen der Task-Force climate related financial disclosures (TCFD) der G20 Staaten. Siehe Erläuternder Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens zur Verordnung über die Berichterstattung über Klimabelange, S. 8.

[7] Erläuternder Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens zur Verordnung über die Berichterstattung über Klimabelange, S. 4.