Die elektronische Signatur nach Schweizer Recht wird in der EU bislang nicht anerkannt, was zu rechtlichen Unsicherheiten und praktischen Problemen führt. Der Bundesrat hat nun das UVEK und das EDA beauftragt, ein Verhandlungsmandat mit der EU auszuarbeiten, um die gegenseitige Anerkennung voranzutreiben. Das könnte für Unternehmen und Privatpersonen mehr Rechtssicherheit bringen. Doch welche Herausforderungen bleiben?
Aktueller rechtlicher Rahmen in der Schweiz und der EU
In der Schweiz bildet das Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur und anderer Anwendungen digitaler Zertifikate (Bundesgesetz über die elektronische Signatur, ZertES) vom 18. März 2016 (SR 943.03) die gesetzliche Grundlage für die Anforderungen an elektronische Signaturen. Nur eine qualifizierte elektronische Signatur (QES) gemäss ZertES ist einer handschriftlichen Unterschrift rechtlich gleichgestellt.
In der Europäischen Union gilt die Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (eIDAS-Verordnung) die einen einheitlichen Rahmen für elektronische Identitäten und Signaturen schafft. Die eIDAS-Verordnung unterscheidet zwischen drei verschiedenen Arten von elektronischen Signaturen:
- Elektronische Signatur (ES): Dies sind Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet (Art. 3 Ziff. 10 eIDAS-Verordnung). Diese Form ist weit verbreitet, verfügt aber über eine geringe Sicherheit (z. B. E-Mail-Signaturen).
- Fortgeschrittene elektronische Signatur (FES): Dies ist eine elektronische Signatur, die die Anforderungen nach Art. 26 eIDAS-Verordnung erfüllt (Art. 3 Ziff. 11 eIDAS-Verordnung). Sie verfügt über höhere Sicherheitsanforderungen, ist aber nicht zwingend einer handschriftlichen Unterschrift gleichgestellt.
- Qualifizierte elektronische Signatur (QES): Dies ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht (Art. 3 Ziff. 12 eIDAS-Verordnung). Sie erfüllt die höchsten Sicherheitsstandards und ist in allen EU-Mitgliedstaaten der handschriftlichen Unterschrift gleichgestellt.
Probleme aufgrund fehlender gegenseitiger Anerkennung
Obwohl die QES gemäss ZertES technisch den EU-Anforderungen entspricht, fehlt bislang eine offizielle gegenseitige Anerkennung zwischen der Schweiz und der EU. Das bedeutet, dass eine Schweizer QES in der EU nicht automatisch als qualifizierte elektronische Signatur anerkannt wird und umgekehrt.
Das hat in der Praxis erhebliche und nicht zu unterschätzende Auswirkungen:
- Grenzüberschreitende Verträge müssen oft doppelt unterzeichnet werden – einmal mit einer Schweizer Signatur und einmal mit einer nach eIDAS-Verordnung anerkannten Signatur.
- Rechtsstreitigkeiten, in denen elektronisch unterzeichnete Dokumente als Beweismittel vorgebracht werden, sind riskant, weil qualifizierte elektronische Signaturen gem. Schweizer Recht vor Gerichten der EU-Mitgliedstaaten nicht die gleiche Beweiskraft haben wie eine qualifizierte elektronische Signatur i.S.d. eIDAS-Verordnung.
- Bei öffentlichen Ausschreibungen in der EU verlangen viele Behörden eine qualifizierte elektronische Signatur i.S.d. eIDAS-Verordnung, mit der Folge, dass Schweizer Unternehmen von den Ausschreibungen faktisch ausgeschlossen werden. Das ist eine tatsächliche Benachteiligung.
- Unternehmen verlieren Zeit und Geld, da sie auf analoge Unterschriften ausweichen oder alternative technische Lösungen implementieren müssen.
Erster Schritt in Richtung Lösung: Bundesrat startet Verhandlungen mit der EU
Am 29. Januar 2025 hat der Bundesrat das UVEK und das EDA beauftragt, ein Verhandlungsmandat mit der EU zur gegenseitigen Anerkennung der QES auszuarbeiten. Eine erfolgreiche Vereinbarung würde sicherstellen, dass in der EU ausgestellte elektronische Zertifikate auch in der Schweiz gültig sind und umgekehrt. Dies würde zudem die Digitalisierung fördern und bürokratische Hürden abbauen.
Wie geht es nun weiter? Was sind die Herausforderungen und nächste Schritte?
Die beiden Departemente haben nun ein Jahr Zeit, die Eckpunkte des Verhandlungsmandats für die Verhandlungen zu erarbeiten. Die Dauer der anschliessenden Verhandlungen ist allerdings ungewiss. Schweizer Unternehmen müssen bis zum Abschluss weiterhin auf alternative (und damit umständliche) Lösungen zurückgreifen.
Möglicherweise muss die Schweiz das ZertES anpassen, sollte die EU spezifische technische Anforderungen stellen. Obwohl dieses Thema nicht Teil des im Dezember 2024 abgeschlossenen Verhandlungspakets mit der EU war, könnten die aktuellen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU die Verhandlungen beeinflussen.
Fazit: Unternehmen sollten proaktiv handeln
Auch wenn die Anerkennung noch nicht erfolgt ist, sollten Schweizer Unternehmen mit EU-Geschäften ihre digitale Signaturstrategie überdenken:
- Prüfen Sie, ob Ihre Signatur in der EU anerkannt wird.
- Nutzen Sie bei wichtigen Verträgen derzeit eine EU-zertifizierte QES, um Unsicherheiten zu vermeiden.
- Halten Sie sich über den Stand der Verhandlungen informiert.
Wir bei HÄRTING Rechtsanwälte unterstützen Sie gerne bei Fragen zur rechtlichen Anerkennung elektronischer Signaturen und den möglichen Auswirkungen auf Ihre Geschäftsprozesse.
Quellen