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Hintergrund des Falls: Corona-Leaks und Amtsgeheimnisverletzung

Die Auseinandersetzung um den Datenzugriff der Bundesanwaltschaft geht auf eine Strafanzeige der Geschäftsprüfungskommissionen des National- und Ständerates aus dem Jahr 2020 zurück. Diese bezog sich ursprünglich auf die sogenannte „Crypto-Affäre“ und richtete sich gegen Unbekannt wegen der Verletzung des Amtsgeheimnisses.

Im Zuge der Ermittlungen stiess der ausserordentliche Staatsanwalt des Bundes auf Zufallsfunde, die einen Verdacht gegen Peter Lauener, den damaligen Kommunikationschef des Eidgenössischen Departements des Inneren (EDI), begründeten. Lauener soll mehrfach vertrauliche Informationen über Covid-19-Geschäfte des Bundesrates an den CEO der Ringier AG weitergegeben haben. Die Bundesanwaltschaft weitete daraufhin ihre Untersuchungen aus.

Im Mai 2022 erfolgten Hausdurchsuchungen bei Lauener sowie beim CEO der Ringier AG. Dabei wurden verschiedene elektronische Geräte, darunter Laptops und Mobiltelefone, sichergestellt. Die betroffenen Personen beantragten umgehend die Versiegelung der Daten, um deren Auswertung durch die Strafverfolgungsbehörden zu verhindern.

 

Der Quellenschutz überwiegt Strafverfolgungsinteressen

Die Bundesanwaltschaft stellte im Jahr 2022 ein Gesuch auf Entsiegelung der sichergestellten Daten. Dieses wurde vom Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern im Mai 2024 abgewiesen. Nun hat auch das Bundesgericht die Beschwerde der BA endgültig zurückgewiesen.

Das Bundesgericht stützt seine Entscheidung auf Art. 172 StPO, der den Quellenschutz für Medienschaffende garantiert. Dieser schützt nicht nur Journalisten selbst, sondern auch deren Quellen und Inhalte redaktioneller Recherchen. Grundsätzlich können Medienschaffende ihr Zeugnis verweigern und Unterlagen, die aus ihrem journalistischen Verkehr stammen, sind vor Beschlagnahmung geschützt.

Eine Ausnahme von diesem Schutz besteht nur, wenn:

  • eine schwerwiegende Straftat vorliegt, oder
  • eine Zeugenaussage notwendig ist, um eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben abzuwenden.

Da das Delikt der Amtsgeheimnisverletzung nicht zu den in Art. 172 Abs. 2 StPO aufgeführten Ausnahmen gehört, bleibt der Quellenschutz in diesem Fall uneingeschränkt bestehen.

Die Bundesanwaltschaft argumentierte, dass der Quellenschutz hier missbräuchlich geltend gemacht werde. Ihrer Ansicht nach habe der Informationsfluss nicht der Aufdeckung von Missständen, sondern der politischen Beeinflussung der Exekutive gedient. Das Bundesgericht wies diese Argumentation zurück und stellte klar, dass das Motiv des Informanten für die Anwendung des Quellenschutzes nicht entscheidend ist. Selbst wenn sich der Informant unlauter verhalten hätte, bleibt das Vertrauensverhältnis zwischen Journalisten und ihren Quellen prioritär. Der Gesetzgeber habe bewusst entschieden, diesen Schutz höher zu gewichten als das Strafverfolgungsinteresse, um eine freie Presse zu gewährleisten.

 

Bedeutung des Urteils für die Medienlandschaft

Das Urteil des Bundesgerichts setzt ein starkes Signal für die Pressefreiheit in der Schweiz. Es bestätigt die hohe Schutzwürdigkeit journalistischer Quellen und stellt klar, dass auch Ermittlungen wegen Amtsgeheimnisverletzungen diesen Grundsatz nicht aushebeln können.

Für Medienschaffende bedeutet dies eine Bestätigung ihrer rechtlichen Absicherung bei der Arbeit mit vertraulichen Informationen. Gleichzeitig zeigt der Fall aber auch die Grenzen dieses Schutzes auf: Sollte ein Delikt aus dem Ausnahmekatalog von Artikel 172 Abs. 2 StPO betroffen sein – etwa eine schwere Straftat – könnte der Quellenschutz durchbrochen werden.

 

Fazit: Pressefreiheit gestärkt, aber Diskussion nicht beendet

Das Bundesgericht bestätigt mit diesem Urteil die hohe Hürde für die Entsiegelung journalistisch geschützter Daten, stärkt den Quellenschutz und bestätigt damit einen zentralen Pfeiler der Medienfreiheit. Während dies rechtsstaatlich begründet ist, bleibt die Frage offen, ob eine absolute Anwendung des Quellenschutzes in jedem Fall angemessen ist. Die Entscheidung wirft zudem grundsätzliche Fragen zur Medienethik und zur Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Anpassung des Quellenschutzes auf. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber künftig Anpassungen vornehmen wird, um eine differenziertere Regelung für Fälle wie diesen zu schaffen, insbesondere bei mutmasslichem Missbrauch journalistischer Strukturen zur Umgehung strafrechtlicher Normen. Kurz gesagt, hat das Urteil erhebliche Auswirkungen auf die Balance zwischen der Unabhängigkeit der Medien und der effektiven Strafverfolgung.

Für Medienschaffende und Informanten bleibt jedoch klar: Der Schutz journalistischer Quellen geniesst in der Schweiz einen hohen Stellenwert – und dieser wurde mit dem jüngsten Entscheid nochmals bekräftigt.

Im Lichte der neusten Trends in der Medienbranche, vor allem im Umgang mit künstlicher Intelligenz und urheberrechtlich geschützten Inhalten von Medienschaffenden (siehe dazu auch unsere bisherigen Beiträge: Leistungsschutzrecht für Medienunternehmen: Vergütung für Online-Snippets in der Schweiz geplant, Urheberrechtliche Herausforderungen beim Training von Künstlicher Intelligenz (KI)), stellt dieses Urteil des Bundesgerichts eine positive Entwicklung dar, insofern es die Bedeutung journalistischer Quellen hervorhebt.

 

 

Quellen